Das göttliche Dutzend
wachküßt?«
»Seien Sie nicht kindisch«, sagte der Vorherseher herablassend. »Tetanus kriegtse. Rostige Nadel, klar? Jetzt macht mal, Leute. Bewegt euch. Ich will niemandem über die Zehen fahren.« Mit diesen Worten schwang er sich auf den Karren. Sein Kollege ließ die Zügel knallen, und sie galoppierten davon.
Der Pöbel löste sich murrend auf und nahm sich gereizt vor, beim nächsten Mal Boxhandschuhe und Knieschoner zu tragen.
Ein Stück bergab bemerkte Zorn, als er einen verängstigten Blick über seine Schulter warf, als erster das Fehlen der Verfolger. Sekunden später hatte er sich in ein nach Luft ringendes Häufchen Elend zusammensacken lassen und zitterte erbärmlich vor Erleichterung.
Hausyrrer stand mit den Händen auf die Knie gestützt da und atmete schwer. Sturzbäche von Schweiß ergossen sich über sein Gesicht. »Toll!« hechelte er. »Einfach toll! Mein kompletter Bestand ist weg – und kein Geld!«
»War nicht meine Schuld«, brachte Zorn mühsam hervor.
»Warum haben Sie nicht vorher gesagt, daß Sie jede Woche dort sind?«
»Sie haben mich nicht danach gefragt«, murmelte Zorn zwischen tiefen Atemzügen.
»Na, das war’s dann. Der Vertrag ist geplatzt. Von mir bekommen Sie keine Aufträge mehr, und sobald ich wieder im Büro bin, werd ich Sie verklagen!«
»Nein, das können Sie nicht …«
»Versuchen Sie doch mal, mich aufzuhalten«, keifte Hausyrrer. »Ich verlange für die verlorene Ware volle Entschädigung. Jetzt geben Sie mir Ihre Geldkatze!« Sein knallrotes Gesicht verlieh der Forderung besonderen Nachdruck. »Betrachten Sie’s als Anzahlung.«
Zorn lag bewegungslos auf dem Boden.
»Her damit!« Hausyrrer machte einen Satz nach vorn und packte Zorn an der Soutane. Mit weißen Knöcheln zerrte er an seinem Kragen.
»Aufhören! Sie erwürgen …«
»Her mittie Geldkatze!«
Zorn leerte atemlos seine Taschen. Hausyrrer schnappte sich ein Bargeldsäckchen und wog es abschätzend in der Hand. »Muß reichen«, grunzte er. Er trat einen Schritt zurück und hob einen langen Stock auf. »Ich geh jetzt den Berg runter. Sie bleiben hier – für den Fall, daß die Meute doch noch beschließt, uns zu folgen. Wenn ich auf dem Weg nach unten auch nur ein Haar von Ihnen sehe, benutze ich das hier, klar?« Er ließ die Spitze seines Stockes unmittelbar vor Zorns Nase kreisen.
»Absolut.«
Der Wunderwäsche-Verkaufsleiter knurrte erneut, machte sich mißmutig auf den Weg ins Tal und fluchte ob der ergebnislosen dreitägigen Wanderung.
Zorn ließ sich wieder zu Boden fallen und wimmerte erbärmlich.
Wie üblich war Manna Ambrosias Restaurant rappelvoll. Alle Tische waren besetzt, die Gläser leerten sich zügig. Kellnerinnen flogen aufmerksam in der lauten himmlischen Pizzeria hin und her.
»He, Schätzchen, bringste mir noch ’n Humpen vom Üblichen? Bist ’n Engel«, nuschelte Syffel, lehnte sich auf seinem Stuhl nach hinten und hob seinen riesigen Lederbecher. Die Kellnerin rollte mit den Augen und flatterte mit einem großen Krug in den Händen über den bloßen Holzboden.
»Warum willst du immer diese Plörre trinken?« spottete Lyblich vom Nachbartisch. Hinter ihm starrte das Fresko zweier Cherubime herab. »Mein Wein ist deinem Zeug eindeutig überlegen. Und auch besser für die Figur.«
»Das sagste doch nur, weil du voreingenommen bist«, grummelte Syffel, als die Engelkellnerin eine volle Gallone in seinen Humpen plätschern ließ. »Egal. Mir gefällt meine Figur. Hab über die Jahre viel in sie investiert. Das zeigt wahre Hingabe, echt.« Er trommelte auf seine gewaltige Körperschaft und grinste. Die Kellnerin glättete ihre Schürze und flatterte zum nächsten flehenden Kunden.
»Schade, daß du nicht ganz soviel investierst, um eine getreue Gefolgschaft von Gläubigen zu kultivieren«, grinste Lyblich und ließ seinen Zinken in sein Weinglas hängen.
Syffel, der kommandierende Gott des Bieres, nahm grinsend einen kräftigen Schluck. »Dauert nie lange, bisse darauf zurückkommst, was?«
»Es sollte eine deiner obersten Prioritäten sein, mein lieber Syffel. Wie soll man denn ohne höhere Gläubigenquoten die Karriereleiter erklimmen? Ersehnst du etwa keinen Platz an der Hohen Tafel, häh? Das beste Knoblauchmanna und die leckerste Pizza, die man kriegen kann. Geschliffenes Kristall. Und das Tischtuch wird einmal im Monat gewechselt. Ganz zu schweigen von den knackigsten Kellnerinnen im ganzen Hymmel.« Lyblich, seines Zeichens Erzgötze des Weins
Weitere Kostenlose Bücher