Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das göttliche Dutzend

Das göttliche Dutzend

Titel: Das göttliche Dutzend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
Vom Netzwerk:
und der Weingeister, warf einen scharfen Blick auf die sieben Gottheiten an der Hohen Tafel. Er wußte, daß einige von ihnen in diesem Monat vom Abstieg bedroht waren. Aber in seinem Kopf kribbelte nur eine Frage: Hatte er genug Anhänger für seinen alkoholischen Glauben gewonnen, um ihn dorthin aufsteigen zu lassen, damit er an der Hohen Tafel essen und trinken konnte, bevor der Tag zu Ende ging?
    Lyblich schlug die Beine übereinander, als eine wohlgeformte Brünette zur Hohen Tafel zurückflatterte und Lechtz’ Krug mit dem feinsten aller feinen Weine füllte. Lyblich verfluchte leise die Wirkung, die die Obergottheit des Ehebruchs auf Frauen hatte. »Schau sie dir bloß an«, knurrte er wortlos in sich hinein, »fünf der Hübschesten umschwirren ihn wie die Fliegen. Na ja, wenn er erst mal absteigt, werden Sie ihn schnell vergessen.«
    Das war immer so.
    »Ich würd mir an deiner Stelle noch keinen Platz aussuchen«, sagte Syffel grinsend. »Wie die Seelenwerte diesen Monat ausfallen, wissen wir erst, wenn sie verkündet werden. Die Anhängerampeln könnten uns diesmal alle überraschen.«
    Während Lyblich höhnisch zurücklächelte, polierte er seine abgeknabberten Fingernägel an seiner Wildledertunika und dachte an seine eigene Anhängerampel. Syffel hätte zu gern gewußt, in welcher Farbe sie derzeit leuchtete. Er hatte den Raum, in dem sie aufbewahrt wurde, nur einmal gesehen, aber die Erinnerung daran hatte sich bis ins kleinste Detail in sein Gedächtnis eingebrannt. Wie hätte er auch die endlosen Regalreihen vergessen können, in denen die einzelnen Glasbehälter in unzähligen Farben schimmerten, jeder mit einem Namensschild versehen, jeder die Intensität des Glaubens anzeigend, die die Anhängerschaft einer Gottheit erlebte? Je heller sie leuchtete, desto besser.
    Nur den sieben Besten war es erlaubt, an der Hohen Tafel zu sitzen und zu ›herrschen‹ – bis zur Verkündung der nächsten Seelenwerte. Das System funktionierte offenbar. Sie hatten es auch mal mit einem einzelnen Obergott probiert, aber nachdem sie sich einige hundert Jahrhunderte immer wieder die gleichen mit monotoner Stimme vorgetragenen Ideen hatten anhören müssen, hatten die militanteren Götter geputscht, ihn formlos aus dem Amt gejagt und das momentane System der sieben ständig rotierenden Gottheiten eingeführt. Die letzten paar hundert Jahrtausende waren unter der Theokratie recht problemlos abgelaufen.
    Lyblich warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Überraschungen? Du? Ha! Der Tag, an dem du an der Hohen Tafel im Hymmel sitzt, ist der Tag, an dem Lechtz die Hände bei sich behält.«
    »Ich wär an deiner Stelle nicht so voreilig. Ich hab ein paar Seelen für die Vorzüge des Gerstensafts gewinnen können. Wart nur ab, bis die Werte veröffentlicht werden.«
    »Ha! Du glaubst wohl, daß du mich endlich überholen kannst?«
    »O ja.«
    »Träum weiter«, kicherte Lyblich beim Gedanken an seinen eigenen Werbefeldzug, der in letzter Zeit ausgesprochen erfolgreich gewesen war. Gourmanda, die Göttin der Feste und Freßgelage, hatte am Anfang des Monats ein paar wilde Fast-Straßenkämpfe verloren, an deren Ende er große Mengen von Neu-Alkoholikern in die Wunder des wein- und geistreichen Besäufnisses eingewiesen hatte.
    Lyblich kniff die Augen zusammen und blinzelte Fluthi an, der an der Hohen Tafel nervös seinen Wein schlürfte. Es hatte sich herumgesprochen, daß ein Haufen seiner Anhänger abgängig war, weil er es mehrfach und zu den unmöglichsten Zeiten heftig auf seine ansonsten treue Gefolgschaft hatte regnen lassen. Er hatte die Schuld daran auf seine Sekretärin geschoben, aber es war für die oberste Gottheit des Regens und der Niederschläge einfach keine Art, mit ihren Schäfchen umzuspringen. Dreiundzwanzig Tage ununterbrochenen Pladderns prüften einen Gläubigen aufs äußerste. Selbst die hydrophilsten Zeitgenossen hatten irgendwann die Schnauze voll gehabt, und so waren sie zu Hause geblieben und hatten getrunken.
    Auf einmal schepperte eine große Pizzapfanne auf die stark mitgenommene Oberfläche der erhöht stehenden Hohen Tafel. Eine hünenhafte Gestalt richtete sich auf und räusperte sich. »Götter, Götzen, Gottheiten«, verkündete Happa, der 650 Kilo schwere Gott der Köstlichkeiten. »Ich freue mich, euch wieder in Manna Ambrosias Restaurant zur Verkündung der Seelenwerte willkommen zu heißen.«
    Zaghafter Applaus verlor sich im Saal. Die Einführung war alles andere als nötig.

Weitere Kostenlose Bücher