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Das göttliche Dutzend

Das göttliche Dutzend

Titel: Das göttliche Dutzend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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hier! Und jetzt kann ich solange bleiben, wie ich will. So, wie der Heilige Regler es verfügt hat.« Zorn warf abweisend den Kopf herum und schaute auf die Sonnenuhr. Nur noch eine knappe Minute.
    Hausyrrer schaute überfordert drein. »Ihn geschlagen?« fragte er verblüfft. »Gehe ich recht in der Annahme, daß es hier eine Doppelbuchung gegeben hat?« Er trocknete erneut seine Stirn ab. Seine Knie wurden schwächer. Hatte er sich drei Tage lang hier hinaufgekämpft, um nun Opfer eines Verwaltungsfehlers zu werden?
    Der Mietprediger Gottfried Zorn warf den Kopf in den Nacken und lachte herzlich. »Buchung? O nein. Wie schon gesagt, wer zuerst kommt …«
    Hausyrrer runzelte mißtrauisch seine glänzende Stirn. »Und wofür, bitteschön, waren dann die hundert Groschen Buchungsgebühr? Hmm?«
    »Das dürfte Sie doch gar nicht kümmern, oder? Das Motto der Mission der Heiligen Laudatia lautet schließlich: Jederzeit, an jedem Ort, jederlei Botschaft! Und so bin ich Ihretwegen hier, willens und fähig, Ihre Botschaft zu verbreiten. Sie hat sich nämlich leider noch nicht besonders weit herumgesprochen. Ich kenne sie; Sie kennen sie. Und wir müssen uns darum kümmern, daß das Publikum sie hört. Aber es kann sie nicht hören, wenn es nicht hier ist. Klaro?«
    Hausyrrers Handflächen zuckten vollständig ratlos gen Himmel.
    »Muß dafür sorgen, daß sie auch kommen, gell?« Zorn machte mit dem Daumen und zwei Fingern eine Bakschischgeste. Dann entfaltete er eine weitere illustrierte Pappe und stellte sie möglichst sichtbar auf. Er grinste angesichts der Darstellung der unanständigen erotischen Unterwäsche, die von ebenso unanständigen Gestalten beiderlei Geschlechts vorgeführt wurde.
    »Sie … Sie haben das Publikum gekauft?« sagte Hausyrrer vorwurfsvoll, als er die Rede durchging.
    »Ach was, nein, nein, nein. Nicht so drastisch. Was trauen Sie mir denn zu?«
    »Und wo sind dann meine hundert Groschen?«
    »Ausgegeben«, sagte Zorn herablassend und holte weitere bildliche Darstellungen aus dem Koffer.
    »Wo? Wofür? Haben Sie eine Quittung bekommen?« fragte Hausyrrer aufgeregt beim Gedanken an sein Spesenkonto.
    Zorn warf einen Blick auf die Sonnenuhr und bemerkte, daß er sich mit der Erklärung wirklich beeilen mußte.
    »Hellsichtgasse. Eineinhalb Spalten in der Omen-Ecke. Und ja.« Er drehte sich um und hantierte weiter an seinen wachsenden Aufbauten.
    »Also, ich komme hier überhaupt nicht mehr mit«, stieß der halbglatzige Mann hervor. Der Missionar der Heiligen Laudatia richtete den Blick zum Himmel und knirschte mit den Zähnen. Dann, in Vorfreude auf die bevorstehende Predigt bebend, richtete er mit starrem Blick einen wedelnden Zeigefinger auf Hausyrrer und beugte sich gebieterisch über die vier Fuß hohe Marmorsäule. »Hätten Sie mir in den letzten drei Tagen wenigstens ein bißchen zugehört, die Wahrheit würde sich Ihnen in gralförmiger Herrlichkeit zeigen, und Sie behinderten mich nicht bei meinen Vorbereitungen in letzter Sekunde. Statt dessen sieht es so aus, als müßte ich alles noch mal für die unheilbar Sekundärbegabten erläutern …«
    »Sie brauchen nicht gleich sarkastisch zu werden …«
    Zorn erzeugte tief in seiner Kehle ein verärgertes Geräusch und fragte sich, ob der Auftrag den ganzen Streß wirklich wert war. »Was tun die Axoloten morgens als erstes?« fragte er, verschränkte die Arme und verfiel in einen Tonfall, der eher zu einem pedantischen Lehrer paßte, der sich an einen unterbelichteten Sechsjährigen wandte.
    Hausyrrer steckte einen Finger in den Mund. »Aufs Klo gehen?« fragte er mit abwesendem Gesichtsausdruck.
    »Nein, nein, nein! Denken Sie nach!« Zorn führte das Blättern und Lesen einer Nachrichtenbulle als Pantomime vor.
    »Ein Kreuzworträtsel lösen?« sprudelte es aus Hausyrrer hervor.
    »Boah! Sagt Ihnen der Name Spiegleyn Spiegleyn nichts?«
    »Ach ja, Sie haben mir davon erzählt.«
    »Möge Ahnikdote, die Göttin der Erinnerung, Ihre blitzenden Neurönchen segnen! Sie erinnern sich daran! Und welchem Teil schenken Sie zuerst ihre Aufmerksamkeit?« Mit einem weiteren Blick auf die Sonnenuhr wurde Zorn klar, daß er für diese Methode wirklich nicht genug Zeit hatte. »Der Omen-Ecke«, beantwortete er seine eigene Frage.
    »Ja, ja, wollte ich gerade sagen«, erwiderte Hausyrrer, dem plötzlich wieder alles einfiel. Zorn hatte es ihm vor zwei Nächten erklärt. Ob es an zuviel Inzucht lag, an der Sonne oder an etwas im Trinkwasser, wußte man

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