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Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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fragen?«
    Der Bader schob seinen Stuhl zurück und streckte die Beine von sich. »Nur zu, Minna.«
    Sie tat, als würde sie Brotkrumen vom Tisch auflesen, doch dann blickte sie ihm direkt in das gutmütige Gesicht . »Ich habe gesehen, wie Ihr Notizen über Eure Patienten machtet. Wo habt Ihr das Schreiben erlernt? Ich meine, Ihr seid kein Arzt, habt nicht studiert …«
    »Nein, das brauchte ich zum Zahnreißen und Brüche richten auch nicht.« Stienberg lachte. »Und zum Haareschneiden erst recht nicht.«
    »Verzeiht, ich wollte Euch nicht beleidigen.«
    »Keine Sorge, das habt Ihr nicht. Der jüdische Medicus hat es mir beigebracht.« Er legte die Stirn in Falten. »Meine Güte, wie lange ist das jetzt schon her? Ich muss so um die dreißig Lenze alt gewesen sein. Der gute, alte Samuel meinte, ich sei ein gescheiter Bursche. Was wohl aus ihm geworden ist? Aber sagt, liebe Minna … wie kommt Ihr auf die Frage? Wollt Ihr es etwa auch erlernen?«
    »Nein, Herr Ludewig, das geht doch nicht. Das steht Weibern nicht zu. Außerdem wäre ich dafür nicht klug genug.« Das hast du nun davon, was stellst du dem Mann auch neugierige Fragen, rügte sie sich. »Frau Schimpf«, fuhr sie fort, »sie hat das Lesen und Schreiben von ihrem ersten Mann gelernt. In dem Jahr, als er starb.«
    Sie hielt inne, ließ ihre Gedanken zurückwandern in eine glücklichere Zeit. Der Lohnarbeiterin wurden die Augen feucht. Eine Hand legte sich auf ihre Schulter. Sie sah in die freundlichen Augen des Baders, der immer so gut zu ihr war. Auch Cristin und Baldo hatte er stets Gutes erwiesen,damals, als sie aus Lübeck geflohen waren und Minna nicht gewusst hatte, was aus ihrer einstigen Dienstherrin geworden war.
    »Was ist mit Euch, Minna?«
    Stumm schüttelte sie den Kopf, wollte sich erheben, doch Ludewigs Hand ruhte unverändert auf ihrer Schulter. Minna blinzelte zu den kräftigen Fingern hinüber, deren Wärme sie durch das Gewand fühlen konnte. Als der Bader es bemerkte, nahm er seine Hand rasch fort.
    »Nun macht mal ein anderes Gesicht, liebe Minna«, gab er ihr betont forsch zu verstehen.
    Sie hielt in der Bewegung inne und starrte ihn an.
    Seine Stimme klang eigenartig heiser, als er sich erhob und sagte: »Ich will mal nach dem Kind sehen …« Er brach ab und ging hinaus.
    Minna stand ebenfalls auf und begann den Tisch abzuräumen, doch ihre Gedanken verharrten bei dem Bader, den sie durch das geöffnete Fenster mit Elisabeth reden hörte. Mehrmals lachte die Kleine hell auf. Sie eiltein die Stube zurück, um den leeren Topf zu holen. Ihr verstorbener Ehemann, dem sie elf Kinder geboren hatte und mit dem sie sehr zufrieden gewesen war, hatte nicht so gut mit Kindern umgehen können wie Ludewig . Sie wuschdie Teller mit einer Hand voll kalter Asche und Wasser ab. Ein Seufzen entwich ihr, während sie ein Leinentuch nahm und einen Teller abtrocknete. Von draußen drang erneut fröhliches Kinderlachen an ihre Ohren. Der Lohnarbeiterin wurde wehmütig zumute. Wie mochte es ihren Kindern gehen, den dreien, die ihr geblieben waren? Sie hatte sie lange nicht gesehen.
    »Minna!«, riss die kräftige Stimme des Baders sie aus ihren Gedanken, der soeben die Küche betrat, die kleine Elisabeth im Schlepptau. »Blast Ihr etwa immer noch Trübsal? Setzt Euch doch zu mir.« Ludewig sank auf einen Stuhl, und hob Elisabeth kurzerhand auf seinen Schoß.
    Minna wischte sich die Finger ab und leistete seiner Bitte Folge. Abwartend musterte sie ihn.
    »Erinnert Ihr Euch noch an den Jungspund, dem ich neulich einen Zahn gezogen habe?«
    »Sicher.«
    Ludewig gab Elisabeth einen von den Keksen, die Minna gebacken hatte und die in einer Schale auf dem Esstisch lagen. »Er kam heute noch mal in die Praxis und brachte mir als Dank für die Behandlung eine gute Flasche Schnaps.«
    »Das ist nett von ihm, Herr Ludewig.«
    »Ja, das finde ich auch. Wusstet Ihr, dass der Junge nur eine Straße von der ehemaligen Spinnerei entfernt wohnt?«
    Minna dachte nach. »Lebt er nicht noch im Haus seiner Eltern? Die wohnen dort in der Nähe, glaube ich.«
    »Na, jedenfalls erzählte er mir, dass ihm gestern ein komischer Kauz mit dunklen, leicht ergrauten Haaren und einem langen Mantel über den Weg gelaufen sei. Der Mann habe eine ganze Weile vor der Brandstelle gestanden und ihn schließlich gefragt, ob er wisse, wo Baldo und Cristin Schimpf seien und wann sie wiederkämen.«
    Minna beugte sich vor. »Tatsächlich? Wer war das denn?«
    »Das hat er nicht gesagt.« Der

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