Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
sah sie als Erster und sprang auf, um sie zu umarmen. »Du siehst erschöpft aus, Liebes. Hast du geschafft, was du dir vorgenommen hast?«
Er führte sie zur Bank. Bastian rutschte etwas zur Seite, sie ließ sich aufatmend nieder und genoss die frische Luft, die vom Meer her herüberwehte.
»Ich habe einen Probeentwurf gemacht, den ich morgen nur noch ins Reine übertragen muss.« Sie blickte in den wolkenlosen Nachthimmel, an dem unzählige Sterne zu sehen waren. »Der Brautstaat ist das Ungewöhnlichste, was ich je angefertigt habe, allerdings auch das Schönste.« Sie sah von einem zum anderen. »Es gibt da nur ein Problem.«
»Und das wäre?«, fragte Bastian.
»Bis morgen Abend werde ich es niemals schaffen, drei Entwürfe anzufertigen, wie Signora Montebello es verlangt. Ich bin mir sicher, sie weiß das und will mich auf die Probe stellen.«
Baldos Augen verengten sich. »Das wäre ihr zuzutrauen. Sie ist klug und macht es dir absichtlich schwer.«
»Ich kann es ihr nicht einmal verübeln«, meinte sie nachdenklich.
»Ich höre wohl nicht richtig, Liebes?«
»Wenn ich etwas dazu sagen dürfte, Signori ?«, wandte Doria ein. »Signora Montebello ist in ganz Venedig als zähe und harte Geschäftsfrau bekannt.«
Cristin nickte. »Das dachte ich mir. Warum also sollte sie sich mit einer kleinen Goldspinnerin wie mir abgeben?« Sie blickte in die Runde. »Sie wird nur dann mit mir Geschäfte machen, wenn sie einen Nutzen daraus ziehen kann. Entweder weil ich meine Waren günstiger verkaufe als andere, oder weil ich etwas anzubieten habe, was es in dieser Form in ganz Venedig nicht gibt. Deshalb prüft sie mich, um mir ihre Macht zu beweisen. Ich vermute, dass sie mit dieser Methode schon viele Händler eingeschüchtert hat.«
»Was gedenkt Ihr nun zu tun?«, wollte Bastian wissen. »Lasst Ihr sie gewinnen?«
Cristin lachte hellauf. »Gewiss nicht kampflos, keine Sorge.«
Baldo hatte den Arm um sie gelegt, und sie schmiegte sich in seine Umarmung.
»Morgen möchte ich de Gaspanioso noch einmal aufsuchen«, fügte sie hinzu und erntete einen überraschten Blick von Baldo.
»Was hast du vor, Cristin?«
Sie spielte mit dem Zipfel ihres Umhanges. »Ich muss erfahren, woher ich die feinste Seide in ganz Venedig bekomme. Wer, wenn nicht der Tuchhändler, kann mir diese Frage beantworten?«
»Ich sehe schon«, aus Bastians Stimme war ein Lächeln deutlich herauszuhören, »Ihr werdet es der feinen Dame auch nicht leicht machen. Recht so! Deshalb schlage ich vor, wir begeben uns jetzt zur Ruhe, ihr Lieben.«
19
C ristins Nacht war schlaflos verlaufen, und sie hatte einen Großteil damit zugebracht, Baldos gleichmäßigen Atemzügen zu lauschen. Sie bewunderte ihn dafür, auch in Zeiten größter Sorge friedlich schlafen zu können. So schälte sie sich schon vor dem Morgengrauen aus dem Bett und kleidete sich sorgfältig an. Auf Zehenspitzen schlich sie aus der Kammer und legte die wenigen Schritte zur Rialtobrücke zurück. Nebelschwaden hingen über dem Canal Grande und ließen die Lagunenstadt unwirklich erscheinen, wie in einem Traum. Noch war außer dem Plätschern des Wassers nichts zu hören, denn die Händler öffneten erst in einer Stunde ihre Läden. Dann allerdings würde die Stadt rasch erwachen und einem fleißigen Bienenstock gleichen.
Die Schwangere strich über die Rundung ihres Leibes. Alles in ihr war in Aufruhr, und der Gedanke, sie könnte am Abend scheitern, trieb sie um. Es musste ihr gelingen, Elisabeth und dem Ungeborenen ein sicheres Zuhause zu bieten, eins, in dem sie nie Not oder Hunger leiden sollten. Dafür wollte sie kämpfen. Nun, da sie selbst Geschäftsfrau war, bekam sie eine Ahnung dessen, was ihr erster Gemahl Lukas zu Lebzeiten für sie getan hatte. Niemals hatte sie sich Sorgen machen müssen, seine Geschäftsangelegenheiten brauchten sie nicht zu kümmern, und wenn sie auf die Straßen Lübecks getreten war, hatte jedermann sie respektvoll und freundlich gegrüßt. Manchmal schämte sie sich dafür, dass sie die vielen kleinen Dinge des täglichen Lebens damals mit dieser Selbstverständlichkeit hingenommen hatte. Wie dumm und naiv sie doch gewesen war!
Einen Moment lang ließ Cristin die Stille auf sich wirken und trat dann den Rückweg zum Handelskontor an.
Baldo war gerade erwacht und rieb sich die Augen.
»Liebling, gib Ruhe«, erwiderte sie auf seine treuherzige Frage, ob er nicht wenigstens einen kurzen Blick auf ihre Zeichnung werfen dürfe. »Du bekommst
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