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Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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stand schon tief. Es kribbelte ihr in den Fingerspitzen, endlich mit der Arbeit zu beginnen, wenn sie übermorgen nicht unverrichteter Dinge und als elendige Versagerin vor den Montebellos stehen wollte.
    »Signor Doria«, unterbrach sie das angeregte Gespräch, das zwischen den Männern nach Baldos Offenbarung entbrannt war, brüsk. »Bitte, ich muss Farben besorgen, außerdem Tinte und Pinsel. Rasch.«
    Einige Zeit später saß Cristin in ihrer Kammer am Tisch und betrachtete zweifelnd ihre neuen Errungenschaften. Ob die Farben ausreichten? Sie zog die Stirn kraus. Es musste eben genügen, denn Pinsel, Tinten und ein zweiter Federkiel hatten ein beträchtliches Loch in ihrem Geldbeutel hinterlassen. Auch auf weitere Pergamentbögen musste sie verzichten. Einen würde sie zum Vorzeichnen benutzen, der zweite war für den endgültigen Entwurf gedacht.
    Baldo, Bastian und den allgegenwärtigen Giacomo Doria hatte sie gebeten, sie allein zu lassen. Wahrscheinlich genehmigten sich die Männer einen Krug Wein in einem der vielen Wirtshäuser, während sie sich den Kopf darüber zerbrach, welches Material und welche Grundfarbe sie für das Brautkleid verwenden sollte. Sie stützte die Ellenbogen auf den Tisch und schloss für einen Moment die Augen. Der Bräutigam sollte nur einen auffälligen Umhang bekommen, sein Feststaat durfte allerdings nicht allzu bunt ausfallen, grübelte sie. Oder …
    Cristin sprang auf und wanderte durch die Kammer. Ja, das könnte gelingen. Ihn wollte sie in derselben Grundfarbe einkleiden, einige fein gearbeitete Einsätze an den Ärmeln und am Kragen vielleicht, und den Umhang dann ebenfalls in den Farben der Lagune halten. Erregung erfasste sie. Mit einem Male entstand vor ihrem geistigen Auge ein genaues Abbild dessen, was sie soeben beschlossen hatte. Die feinste Seide musste es sein, dieser Stoff würde die zartgliedrige Gestalt der Braut am besten zur Geltung bringen.
    Cristin sah es förmlich vor sich, ein schlichter Schnitt, flügelartige Ärmel sowie ein weit geschnittener Rock, damit das ungewöhnliche Muster gut zu erkennen war. Goldstickereien am Saum und im Schleier, aber nicht zu viele. Für diese Gewänder musste echtes Blattgold her, das um eine seidige Sehne gewickelt wurde, um es einsticken zu können. Das Häutchengold, das sie üblicherweise verwendete, erschien ihr für diesen Auftrag nicht gut genug. Doch wie sollte sie an das kostbare Material herankommen? Ihres Wissens nach gab es in Lübeck keine Goldschläger, aber Lukas hatte ihr einmal von einem Nürnberger berichtet, der sein Handwerk dort als Erster seines Faches ausgeübt hatte und sich vor Aufträgen kaum retten konnte.
    Ihr Blick fiel auf das Pergament. Die goldenen Fäden für die Umhänge des Brautpaares könnte sie, Sonnenstrahlen gleich, schräg einfallen lassen. Sie setzte sich nieder und atmete tief durch. Ein Schauer überlief sie, als sie den Gänsefederkiel in azuritfarbene Tinte tauchte und begann, die Umrisse des Kleides zu zeichnen. Es war wie ein Rausch, der sie auf einmal erfasste. Ungeduldig schob sie ein Talglicht dichter heran, um trotz der einsetzenden Dunkelheit gut sehen zu können, und beugte den Kopf tiefer über das Pergament. Cristin vergaß Zeit und Raum, doch als sie mit dem Rohentwurf endlich fertig war, lächelte sie ins Halbdunkel des Raumes.
    Im selben Moment wurde sie jedoch wieder ernst. Wie sollte sie Signora Montebello begreiflich machen, dass sie ihr nur einen anstelle von drei Entwürfen anzubieten hatte? Cristins Gedanken überschlugen sich. Wenn sie die ganze Nacht über arbeitete und Baldo bat, ihr zusätzliche Pergamentbögen zu kaufen … Nein, die Zeit war einfach zu knapp, obendrein war keines der anderen Brautkleider, die ihr im Kopf herumschwirrten, auch nur annähernd mit diesem hier zu vergleichen.
    Cristin erhob sich und stemmte eine Hand in den Rücken. Das Ungeborene schien ihre Unruhe zu spüren und bewegte sich heftig in ihrem Leib – ein Grund mehr, dass sie kaum mehr einen klaren Gedanken fassen konnte. Ihr Körper allerdings zeigte ihr sehr deutlich, was er wollte, denn ihr Magen knurrte zum Gotterbarmen, und die Zunge klebte ihr am Gaumen. Sie trat an eine Schüssel, die auf einem kleinen Tischchen stand, und wusch sich mit dem kühlen Wasser Gesicht und Hände, dann machte sie sich auf die Suche nach ihren Begleitern. Sie fand sie vor dem Eingang des Handelskontors auf einer Bank sitzend, offenbar guter Dinge, denn sie unterhielten sich lebhaft.
    Baldo

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