Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
sagte die Goldspinnerin wie zu sich selbst. Ehrfürchtig strich sie über den weichen Stoff. Die Oberfläche des Materials war glatt und ohne Struktur, nirgends konnte sie Spuren arbeitender Hände entdecken.
»Der Stoff zeichnet sich durch eine neue Webtechnik aus, die bisher allerdings nur im Orient angewendet wird, Signora Schimpf«, erwiderte der Tuchhändler auf ihre unausgesprochenen Gedanken hin. »Das Geheimnis der Herstellung wird leider ebenso sorgsam gehütet wie die Glasbläserkunst hier bei uns auf Murano. Mehr weiß ich leider auch nicht darüber zu berichten. Den Preis pro Elle allerdings kann ich Euch nennen.«
Der Tuchhändler flüsterte ihr die mit dem orientalischen Händler vereinbarte Summe zu, und Cristin schnappte entsetzt nach Luft.
De Gaspanioso hob bedauernd die Schultern. »Leider kann ich Euch diese Seide nicht verkaufen, Signora, denn ich benötige sie für einen meiner wichtigsten Aufträge.« Als er sah, wie Cristin den Kopf senkte, tätschelte er ihr den Arm. »Aber da ich weiß, dass Ihr den Stoff wie einen Schatz hüten werdet, überlasse ich Euch eine Elle, damit Ihr ihn Signora Montebello präsentieren könnt.« Ein verschmitztes Lächeln überzog de Gaspaniosos Antlitz. »Meine guten Wünsche begleiten Euch.«
Cristin starrte ihn an, unfähig zu begreifen, was der Tuchhändler ihr soeben angeboten hatte. »Aber das geht nicht. Ihr könnt doch nicht einfach ein Stück abschneiden!«
»Seid ohne Sorge, ich habe genug davon. Keine Widerrede!«
Er wickelte den Stoff sorgfältig wieder ein und winkte die kleine, dunkle Frau zu sich, die im Hintergrund gewartet hatte. Er wechselte ein paar Worte mit ihr und überreichte ihr das Paket. Diese nickte und verschwand.
»Sollte Euer Vorhaben gelingen und Ihr könnt Signora Montebello für Euch gewinnen, biete ich Euch an, bei meinem äußerst vertrauenswürdigen Händler aus dem Orient Euren Stoff zu bestellen . Ich könntebei ihm die doppelte Menge feinste Seide ordern und Euch den Stoff in Eure Heimat schicken lassen, denn ich bin sicher, Ihr werdet sie benötigen. Sollte ich mich täuschen und der Auftrag mit der Signora käme nicht zustande, gebt Ihr dem Boten Bescheid, und er bringt ihn mir wieder zurück. Nun, was sagt Ihr dazu?«
»Das wäre wunderbar, Signor de Gaspanioso«, entfuhr es ihr ein wenig atemlos.
Der Tuchhändler lächelte. »Dann ist es also abgemacht und Ihr gebt mir Bescheid, wenn Ihr mir die Leihgabe zurückbringt.Kann ich Euch noch anderweitig dienen, Signora Schimpf?« Er legte eine strenge Miene auf. »Ich habe nämlich den Wunsch, dass Ihr so bald wie möglich heimkehren könnt, damit Ihr Euch schont, bevor das Kindchen auf die Welt will.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, stammelte Cristin mit feuchten Augen. Sie holte tief Luft. »Ich danke Euch von Herzen.« Sie hielt inne und wartete, bis sie sich wieder gefasst hatte. »Wenn es Euch nichts ausmacht, hätte ich noch eine Frage, Signor de Gaspanioso.«
»Ich höre.«
»Sollte ich den Auftrag bekommen, möchte ich reines Blattgold für die Stickereien verwenden.« Ihr Blick wanderte aus dem Fenster. »Nun liegt der Gedanke nahe, es hier in Venedig zu beziehen, nur darf ich keine hiesigen Waren ins Reich mitnehmen. Natürlich will ich nicht gegen das Gesetz verstoßen, das unsere Zunft uns auferlegt. Vielleicht wisst Ihr mir da zu raten?«
Er lachte laut und herzlich. »Hinter Eurem hübschen Äußeren verbirgt sich offenbar nicht allein ein messerscharfer Verstand, sondern Ihr seid zudem ein ehrlicher Mensch, Signora. Beides sind Eigenschaften, die ich zu schätzen weiß.«Die Falten um seine Augen vertieften sich und ließen ihn um Jahre jünger erscheinen, als er vermutlich war. »Klugheit und Ehrlichkeit, das hat sicher auch Königin Jadwiga an Euch geschätzt.«
Cristin spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss.
»Hört mir gut zu, Signora Schimpf. Ihr wisst ebenso gut wie ich, dass ich ein Mann von Ehre bin, nicht wahr? Deshalb kann gewiss niemand etwas Verwerfliches daran finden, wenn ich einer Freundin ein Geschenk mache.«
Cristin stutzte. »Ich verstehe nicht.«
»Nun, ich werde es Euch erklären. Als Tuchhändler habe ich nicht im eigentlichen Sinne mit dem Verkauf von Blattgold zu tun, wie Ihr Euch gewiss denken könnt. Doch als Geschäftsmann, der sich einen guten Namen gemacht hat, habe ich so einige Kontakte knüpfen können, unter anderem auch zu Verkäufern von Blattgold. Deshalb schätze ich mich glücklich, meist
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