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Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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weiteren Gasse zustrebten. Sie trugen lange Mäntel und helle, spitze Hüte. Als sich einer von ihnen umwandte und sein Blick die Reisenden streifte, sah Cristin, dass sein grauer Spitzbart ihm fast bis zur Brust reichte. Auf dem Mantel des hageren Mannes prangte ein gelber Stoffring. Cristin wurde klar – es musste sich um Juden handeln, denn die waren verpflichtet, sich für alle Christen kenntlich zu machen.
    »Ich glaube, dort ist das Handelshaus«, unterbrach Baldo ihre Gedanken.
    Im schwachen Licht des Mondes entdeckte Cristin am Ende einer Häuserzeile ein mehrstöckiges Gebäude und schräg gegenüber ein Fachwerkhaus, über dessen breiter Doppeltür ein Schild mit einem aufgemalten Raubvogel prangte.
    Der Nachtwächter hatte nicht zu viel versprochen. Das saftige Bratenstück, das die Wirtin ihnen von einem über dem offenen Feuer gegrillten Spanferkel abschnitt, schmeckte ausgezeichnet, genauso wie das Bier, das sich die beiden dazu hatten bringen lassen. Als Baldo, Bastian und Cristin schließlich in ihrer Kammern verschwanden und unter die Decken schlüpften, dauerte es nicht lange, und sie fielen in einen tiefen Schlaf.
    In Nürnberg, das sie vier Tage später erreichten, verkaufte Baldo zwei der Maultiere und erwarb für Cristin und sich einen zweirädrigen Pferdekarren, mit dem sie am kommenden Tag auf der alten, an vielen Stellen vereisten Reichsstraße in Richtung Bayreuth weiterfahren wollten. Sie war dankbar, nicht mehr auf dem Rücken eines Reittieres reisen zu müssen, denn ihr Rücken schmerzte inzwischen von Tag zu Tag heftiger.
    Nachdem Baldo am nächsten Morgen die Kammern und das Essen bezahlt hatte, baten sie den Wirt um zwei Eimer Wasser und Heu, fütterten und tränkten das Pferd, ein schwarzes Kaltblut, sowie Bastians Maultier und machten sich auf den Weg. Allerdings nicht ohne noch ein paar Würste, einen Kohlkopf und zwei Laibe Brot als Reiseproviant eingekauft zu haben, die sie außerhalb der Stadt aufteilen wollten. Sobald sie das Stadttor passiert hätten, wollten die beiden und der Bernsteinhändler voneinander scheiden.
    Die Luft roch nach Schnee, als sie auf ihrem Weg zur Via Imperii an der mächtigen Kirche mit den beiden Türmen vorbeifuhren, die Cristin schon auf der Hinreise aufgefallen war. Obwohl es nicht der Tag des Herrn war, hatte sich vor dem geschlossenen Portal des Gotteshauses eine Menschenmenge versammelt, und es herrschte eine geradezu ausgelassene Volksfeststimmung.
    Während Baldo das Gespann kaum fünf Klafter von den Männern und Frauen entfernt über das holprige Pflaster lenkte, vernahm Cristin eine schrille, sich überschlagende Stimme.
    »Sie soll ihre Strafe bekommen!«, meinte sie im Wirrwarr verschiedenster Geräusche zu verstehen. Andere stimmten ein.
    Die hohen Flügeltüren der Kirche waren geöffnet, auf der obersten Treppenstufe erkannte sie eine hochbetagte Frau in einem einfachen, knöchellangen Gewand, auf dessen oberer Hälfte ein blaues Kreuz prangte. Ihr Rücken war gebeugt wie nach lebenslanger Feldarbeit. Das graue Haar hing offen auf die schmalen Schultern herab, ihre Miene wirkte zwar furchtsam, strahlte aber Würde und ungebrochenen Stolz aus. Sie trat einen Schritt zur Seite. Ein bartloser Mann von höchstens dreißig Jahren tauchte neben ihr auf, an seinem langen dunklen Gewand unschwer als Priester zu erkennen. Er streckte die rechte Hand aus, umfasste den dünnen Oberarm der Frau und schob sie unsanft vorwärts. Die Alte taumelte und fing sich erst im letzten Augenblick wieder.
    Landsberg zügelte sein Maultier. Mit finsterer Miene starrte er ebenfalls zu dem ungleichen Paar hinüber, das langsam die steinernen Stufen hinabstieg. Reglos beobachtete Bastian das Geschehen, doch dann sprang er mit aschfahlem Gesicht von seinem Reittier und lief auf die Männer und Frauen zu, die ihm den Rücken zuwandten. Schon hatte er sich in den rasch größer werdenden Halbkreis von Leibern eingereiht. Inzwischen hatte auch Baldo das Gefährt angehalten.
    Cristin kletterte herunter und trat zu Bastian Landsberg. »Was geht hier vor? Was hat die Frau getan?«
    »Seht Ihr das Kreuz auf ihrem Kleid?«
    Cristin nickte. »Es sieht aus wie aufgemalt.«
    »Es soll sie als Ketzerin kennzeichnen.«
    »Die alte Frau ist eine …?«
    »Ja. Jedenfalls in den Augen der Kirche.« Unverwandt hielt er den Blick auf die Frau und den Priester geheftet. Cristin sah, wie sich sein Adamsapfel bewegte. »Sie heißt Walburga.«
    »Ihr kennt sie?«
    »Ja. Sie gehört zu

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