Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
er mit den Cygani zurück ins Reich zogen. Piet machte sich nichts vor. Solange er sich nicht von Cristins Wohlergehen vergewissert hatte, kam er ohnehin nicht zur Ruhe. Die Vergangenheit hatte ihm oft genug gezeigt, wie selten er sich täuschte. Er stieß die Luft aus und legte den Arm um die Hüfte seiner schlafenden Frau. Wie glücklich er sich schätzen konnte, mit Marianka ein Weib an seiner Seite zu wissen, das seine Verrücktheiten – wie seine Mutter es zu Lebzeiten genannt hatte – klaglos ertrug.
Im Laufe des nächsten Tages – die Wagen der Cygani rollten inzwischen über die Via Regia, eine alte Handelsstraße – ertappte sich Piet dabei, wie seine Gedanken wieder und wieder zu seiner Schwester schweiften. All diese Visionen hinterließen einen schalen Nachgeschmack in seinem Mund, und die Bedrohung verstärkte sich, je weitersie sich Görlitz näherten, ihrem nächsten Ziel. Piet kannte die böhmische Stadt an der Neiße. Er war dort einmal vor drei oder vier Jahren gewesen. Die beleibte Tochter eines ebenso beleibten Fleischhauers, die ihn bei einer Vorführung auf einem der Marktplätze gesehen hatte, war hinter ihm her gewesen wie der Teufel hinter der armen Seele. Piet hatte schließlich bei Nacht und Nebel die Flucht ergriffen. Seine Mundwinkel hoben sich unwillkürlich bei dieser Erinnerung, aber gleich darauf kehrten seine Gedanken zu Cristin zurück. Wenn es ihm doch nur gelänge, Verbindung zu ihraufzunehmen.
27
Hof
V or zwei Tagen hatten Baldo und Cristin Bayreuth hinter sich gelassen und näherten sich nun einer weiteren Stadt, durch die sie die Via Imperii führte. Es war Nachmittag, und die Sonne stand schon tief am Himmel, als Cristin in etwa einer Viertelmeile Entfernung die Silhouette der Stadtmauern von Hof erkannte. Hinter ihnen ragte ein Kirchturm in den klaren, winterlichen Himmel. Etwa eine halbe Stunde später rollte der Karren durch ein breites Tor in die Stadt.
»In Hof gibt es ein Franziskanerkloster und in unmittelbarer Nähe eine Abtei der Klarissen. Dort könnt Ihr übernachten«, erklärte ihnen der Torwächter.
Der Mann beschrieb ihnen den Weg. Baldo half Cristin auf den Wagen und bestieg hinter ihr den Kutschbock. Dann lenkte er das Pferd durch die einsetzende Dämmerung in die genannte Richtung, einem großen, auf einem Hügel erbauten Gebäude zu. Unterhalb der Anhöhe erstreckte sich sowohl die von einer mehr als mannhohen Mauer umgebene Abtei der Nachfolgerinnen der heiligen Klara als auch die der Franziskanerbrüder. Vor der Pforte des Männerklosters hielten sie an. Baldo kletterte vom Kutschbock und zog an einem kurzen Glockenstrang. Im oberen Teil des Tores öffnete sich ein Fenster, und ein bärtiges Männergesicht wurde sichtbar.
»Was wollt ihr?«
»Ein Obdach für die Nacht«, gab Baldo ebenso knapp zurück. »Wir werden Euch natürlich gut entlohnen, falls Ihr Euch deshalb sorgen solltet.«
»Entschuldigt, so war es nicht gemeint. Wir Franziskaner sind kein reicher Orden, wie die Schwestern dort drüben.«
Baldo holte tief Luft. »Wir sind müde von der Reise, und meine Frau braucht Ruhe.«
»Schon gut. Allerdings …«
»Was ist denn noch? Nun macht schon auf. Es ist kalt.«
Baldo konnte hören, wie ein schwerer Riegel bewegt wurde.
» Ihr könnt gern hereinkommen«, erklärte der Torhüter, während er einen Flügel des Tores aufzog, »Euer Weib muss jedoch zu den Klarissen gehen. Wir nehmen nur männliche Gäste auf. Aber bei unseren Nachbarinnen ist sicherlich noch ein Lager frei.«
Der hagere Franziskanermönch öffnete den zweiten Torflügel.
»Lässt sich da nichts machen? Für zwei, drei zusätzliche Heller vielleicht?«
»Ich bedaure, Herr. So sind nun mal unsere Vorschriften.«
Baldos und Cristins Blick begegneten sich.
»Es ist ja nur für eine Nacht, Liebling«, flüsterte Cristin ihm zu.
Er nickte, fasste in den Beutel, den er unter dem Mantel am Gürtel trug, und ließ ein paar Münzen in ihre Hand fallen. Dann griff er nach dem Zaumzeug und zog Pferd und Wagen mit sich durch das geöffnete Tor.
Zur Pforte des benachbarten Frauenklosters waren es nur wenige Schritte.
»Kommt nur herein«, forderte die Türhüterin sie auf, nachdem Cristin der jungen Frau ihr Anliegen genannt hatte. »Ich werde eine der Schwestern rufen, damit sie Euch in unser Gästehaus begleitet.«
Sie griff nach dem Strang einer Glocke und zog daran. Kurz darauf erschien eine Frau in Cristins Alter. Die Türhüterin sprach kurz mit ihr, und die Nonne
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