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Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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griff nach ihrer Hand, die sich um das Holz des Kutschenrands krampfte.
    »Keine dieser … dieser Bestien wird Euch oder Eurer Tochter auch nur ein Haar krümmen«, raunte er ihr mit einem unüberhörbaren Zittern in der Stimme zu.
    »Was macht Euch da so sicher?«, flüsterte sie zurück.
    »Ihr dürft dem Wolf keinesfalls in die Augen sehen. Wir warten. Dann werden sie gehen.«
    Cristin senkte die Lider, verfolgte jedoch aus den Augenwinkeln jede einzelne Bewegung der Wölfe. Eines der Tiere näherte sich. Höchstens fünf Schritte trennten sie noch voneinander. Sie meinte, das Herz müsste ihr stehen bleiben. Hinter sich hörte sie Elisabeth im Schlaf wimmern.
    »Still, ganz still«, vernahm sie Romans Stimme.
    Im Schein des Feuers sah sie, wie einem der Wölfe Speichel aus dem halb geöffneten Maul tropfte. Bloß keine Regung, nur nicht bewegen. Cristin schloss die Augen. Die Furcht lähmte ihren Verstand. Momente wurden zur Ewigkeit.
    Doch dann geschah, was Mariusz vorausgesagt hatte.
    Die Tiere schlichen noch einige Zeit um die Kalesche herum, hechelnd, leise winselnd, und stießen dabei immer wieder dieses furchterregende Knurren aus. Dann zogen sie sich endlich zurück.
    Die Erleichterung und Erschöpfung standen allen Beteiligten noch ins Gesicht geschrieben, als sie in den frühen Morgenstunden ihre Reise fortsetzten.

8
    Krakow, Polen
    P iet Kerklich saß in der Küche seiner Schwiegereltern am Rande von Krakow, tauchte den Löffel in die köstlich duftende Gemüsesuppe und lauschte dem angeregten, in polnischer Sprache geführten Geplauder zwischen seinem frisch angetrauten Eheweib Marianka und deren Mutter. Mittlerweile lebte er lange genug in diesem Reich, um dem Gespräch mühelos folgen zu können, doch heute genoss er es, das Stimmengewirr an sich vorbeirauschen zu lassen. Er dachte an das Haus, das sie in unmittelbarer Nähe von Mariankas Elternhaus bauten. Bis es fertig war, wohnten sie bei ihren Eltern. Aber Piet sehnte sich danach, endlich ungestört mit seiner Frau zu sein, ohne die wachsamen Blicke der beiden Alten und das Lärmen ihrer jüngeren Geschwister, denen selbst ein flüchtiger Kuss nicht verborgen blieb.
    Kann ein Mann zufriedener sein als ich?, überlegte er grinsend. Marianka war anschmiegsam wie ein Kätzchen. Er liebte ihren Geruch und das Gefühl ihres warmen Leibes an seinem. Wie es seiner aufgeweckten und hübschen Frau gelungen war, in ihm, dem Narr und Jongleur aus Leidenschaft, das Bedürfnis zu wecken, sesshaft zu werden, war ihm noch immer ein Rätsel. Kein noch so schönes Weib, das ihm auf seinen Reisen begegnet war, hatte ihn einfangen und an den Herd ziehen können – bis Marianka aufgetaucht war und sein Leben auf den Kopf gestellt hatte.
    Seine Gedanken schweiften zu Cristin. Nach vielen Jahren der Suche war es ihm endlich gelungen, seine Zwillingsschwester wiederzufinden, von der er getrennt aufgewachsen war. Zwischen ihnen hatte stets eine geheimnisvolle Verbindung bestanden. Selbst als sie noch Kinder gewesen waren, hatte er in Visionen ihre Gedanken und Empfindungen wahrnehmen können, so klar, als wären es seine eigenen. Diese Gabe war ein Erbe ihrer Mutter, einer heilkundigen Kräuterfrau, die mit diesem Mysterium mit einer Selbstverständlichkeit umging, als wäre es ebenso natürlich wie der Wechsel der Jahreszeiten.
    Piet schüttelte die schmerzlichen Erinnerungen ab und lächelte. Cristin lebte mit ihrem Mann und der kleinen Tochter aus ihrer ersten Ehe mit Lukas Bremer inzwischen wieder im Heiligen Römischen Reich, ihrer gemeinsamen Heimat.
    Er warf seiner Frau einen verstohlenen Seitenblick zu. Ihre schmalen Schultern und schwingenden Hüften versetzten sein Blut sofort in Wallung. Er füllte sich den Teller abermals nach. Marianka war wirklich eine vortreffliche Köchin. Sein Blick fiel durch das Fenster, das zu dem kleinen Kräuter- und Gemüsegarten hinausging, den sein Schwiegervater Konstanty für seine Frau Grazyna angelegt hatte. Bei den meisten anderen Häusern der Gasse befand sich an der Stelle nur ein Hinterhof.
    Der Wind war stürmisch an diesem Tag und bewegte die dünnen Stängel von Sellerie und Fenchelpflanzen ebenso wie das Kraut der Pastinaken kräftig hin und her, die zwischen zwei alten Apfelbäumen aus dem regennassen Boden wuchsen. Die Blüten an den Zweigen leuchteten rötlich im Licht der Maisonne. Auf einem Ast saß eine Drossel und schien ihn mit schief gelegtem Kopf zu betrachten.
    Da überfiel ihn unvermittelt Schwindel,

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