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Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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Dieser durchtriebene Unhold! Er hatte mit ihr gespielt wie mit jedem anderen, der ihm von Nutze sein mochte.
    Auch sie konnte von Glück sagen, nur für ihre Buhlschaft bestraft worden und mit zwanzig Stockhieben davongekommen zu sein. Dabei hatte sie ihrem Herrn lediglich einen Becher von dem Wein gereicht, den sein Bruder für ihn abgegeben hatte. Wie hätte sie auch ahnen können, dass sie dem armen Mann damit den Tod brachte?
    Sie zwang ihre Gedanken zurück in die Gegenwart. So mancher Kerl war ihr in den letzten Wochen zwischen die Beine gestiegen. Wenn es stimmte, was die alte Hure ihr erst gestern gesagt hatte, dann war sie, die junge, noch unverbrauchte Dirne mit den wohlgeformten Brüsten, inzwischen begehrter bei den Männern als viele andere Huren der Stadt. Doch sollte sie darauf etwa stolz sein?
    Wenn sie durch die Gassen oder über die Marktplätze ging und die Leute sie wegen der schwarzen Bänder an ihrer Mütze als Hübschlerin erkannten, verzogen nicht wenige das Gesicht und wendeten sich ab. Andere wieder musterten sie schamlos, sie wussten sicher längst, wer sie war. Das ist doch das Weib, das am Pranger stand?, konnte sie die Leute förmlich flüstern hören. Obendrein noch die Blicke der Priester, die ihren Weg vor St. Marien kreuzten.
    »So jung und schon so verdorben«, hatte einer ihr erst vor ein paar Tagen unverblümt hinterhergerufen.
    War sie das – verdorben? Weil sie die Gelüste der Kerle befriedigte, die zu ihr in die Hütte kamen? Sie erinnerte sich an den miesen Kerl, der sie vor einiger Zeit sogar geschlagen hatte. Zum Glück war so etwas nie wieder vorgekommen. Aber sollte dieses Leben für alle Zeit ihr Los sein? Sie schlug die Hände vors Gesicht. War nicht alles andere besser als dies? So mancher Kerl verlangte für ein paar Witten mehr richtig widerwärtige Dinge von ihr. Sie griff nach einem fadenscheinigen Tuch und schnäuzte sich.
    Vielleicht sollte sie doch den Fischhändler aus Schlutup, der schon mehrmals bei ihr gewesen war, fragen, ob er eine Magd gebrauchen konnte? Dem etwa dreißig Lenze zählenden Mann war im vorigen Winter die Frau gestorben. Sollte sie dafür ab und zu mit ihm das Bett teilen müssen, dann sei’s drum. Der Fischhändler war kein schlechter Mann. Dann könnte sie endlich aus dieser engen, nach Schweiß und Essen stinkenden Hütte ausziehen.
    In der Bude nebenan plärrte ein Kind, bis ein lautes Klatschen dem Geschrei ein Ende setzte. Soweit sie wusste, lebte dort eine junge Mutter mit drei halbwüchsigen Jungen, deren Gesichter stets dreckverschmiert waren. Meist spielten sie vor der Tür der Hütte. Aus der Bretterbude gegenüber drang lang anhaltendes Husten an ihre Ohren. Dort hauste ein einbeiniger Mann, der oft auf einem Schemel vor seiner Behausung saß. Wenn sie vor die Tür trat, warf er ihr lüsterne Blicke zu.
    Sie seufzte. Früher hätten keine zehn Pferde sie dazu gebracht, einen Fuß in die engen Gänge des Armenviertels zu setzen, das unmittelbar an das Heilig-Geist-Hospital angrenzte. Für verrückt erklärt hätte sie jeden, der ihr vorhergesagt hätte, dass sie einmal mit einer Hure zusammen in einer der Bretterbuden leben würde.

7
    V or etwa einer Woche hatten Cristin und ihre Tochter den Oderfluss – die Odra, wie Karol und ihre beiden Begleiter zu Pferd den breiten Strom nannten – überquert und waren nun im Westen von Jagiellos und Jadwigas Reich unterwegs. Die flache Landschaft wurde immer wieder von in Birken- und Ulmenwälder eingebetteten Seen unterbrochen, über denen die Frühnebel wie zarte Schleier hingen. An ihnen konnte sich Elisabeth gar nicht sattsehen, ebenso wie an den munter dahinfließenden Flüsschen, an denen sie vorüberkamen.
    Einige Jungen, die in den staubigen Straßen der Bauerndörfer ihre Gänse hüteten, blickten ihnen neugierig hinterher, und das Mädchen winkte ihnen fröhlich zu. Inzwischen war die Landschaft hügeliger geworden. Seit einer Stunde rollte die Kalesche nun schon durch einen dichten Tannenwald über einen Weg dahin, der kaum breiter war als die Kutsche selbst. Immer wieder reckte Cristin den Hals und blickte auf. Nur ab und zu wurde zwischen den Baumwipfeln ein Stück des zunehmend dunkler werdenden Himmels sichtbar. Sie sorgte sich, wo sie die kommende Nacht verbringen würden. Als sie nämlich vor einiger Zeit Karol nach der nächsten Ortschaft gefragt hatte, lautete die mürrische Antwort nur: »Weiß ich auch nicht.«
    Die junge Frau spürte Unbehagen in sich aufsteigen,

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