Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
sie auf ewig festzuhalten.«
Cristin hatte mit angehaltenem Atem dem Bericht der Königin gelauscht, die sich mit einem Seufzen in ihrem Sessel zurücklehnte und gedankenverloren durch das geöffnete Fenster blickte. Jadwigas Augen lagen nun tief in den Höhlen. Mit einer Hand massierte sie den vorgewölbten Bauch.
»Habt Ihr Schmerzen?«
»Nein, Cristin. Doch mein Bauch fühlt sich sehr hart an, und das Kind ist heute Nacht besonders munter.«
»Ihr solltet Euch mehr Ruhe gönnen und Eure Verpflichtungen für die nächste Zeit dem König übertragen«, hörte Cristin sich sagen und musste im nächsten Moment schmunzeln.
Kamen ihr diese Worte nicht vertraut vor? Nur zu gut erinnerte sie sich daran, damals von Lukas, Minna und Lynhard aus demselben Grunde gerügt worden zu sein.
»Nein, liebste Freundin!« Die Königin erhob sich und nahm eine Wanderung durch das Schlafgemach auf. »Nein, das kann ich nicht tun! Sieh nur, ich möchte bis zur Geburt alles geregelt wissen.« In die dunklen Augen der Herrscherin trat ein warmer Glanz. »Wenn mein Kindlein erst auf der Welt ist, werde ich einige Wochen pausieren und meinem Gemahl die Politik überlassen.« Ein Schatten huschte kurz über die ebenmäßigen Züge. »Damit kennt er sich vorzüglich aus.«
Es drängte Cristin nachzufragen, was die Freundin damit gemeint haben könnte, doch sie schwieg. Das Gesicht der Monarchin nahm einen gequälten Ausdruck an, und Cristin trat einem Impuls folgend neben den Sessel.
»Ich kann Euch ein wenig Erleichterung verschaffen, wenn Ihr es wünscht. Ihr sagtet, Euer Leib fühle sich hart und prall an. Wird Euch auch öfter die Luft knapp?«
Jadwiga nickte. »War es bei dir damals auch so?«
»Ja, genau so. Mein Leib war so hart, als hätte ich einen großen Stein im Bauch«, bestätigte diese.
Aufmerksam ruhten die Augen der Herrscherin auf Cristin. »Würdest du deine gesegneten Hände auf mich legen? Das wäre wunderbar.«
Sie bedeutete der Königin, sich in ihr Bett zu begeben und still liegen zu bleiben. Cristin zögerte, doch dann trat sie vor und ließ die Hände über Jadwigas Bauch schweben. Sie schloss die Augen und überließ sich dem großen Mysterium, das seit ihrer frühesten Kindheit in ihr wohnte. Tastend verharrten ihre Hände in der Luft. Wie ein Schmetterling seine Flügel entfaltet, so spreizte sie die Finger. Kurz darauf spürte sie Wärme und Leben. Pulsierendes Glück. Und einen zweiten Herzschlag. Hinter ihren geschlossenen Lidern konnte sie leuchtende Rot- und Orangetöne ausmachen. Cristins Fingerspitzen glühten, schienen Lichtstrahlen zu dem Körper unter ihr zu senden.
Ein tiefer Atemzug erreichte ihre Ohren. Dann ein Seufzen.
Als sie die Hände sinken ließ, war das Gesicht der Königin entspannt, der Mund leicht geöffnet.
»Ich danke dir«, murmelte Jadwiga etwas undeutlich. »Der Herr möge dich beschützen.«
14
D es Morgens, wenn die Sonne ihre ersten Strahlen über die Dächer des Wawel schickte, war Elisabeth meist nur mit Mühe zum Frühstück zu bewegen. Dann rutschte sie mit geröteten Wangen auf ihrem Stuhl herum und konnte es kaum abwarten, bis Ewa, die junge Kammerfrau, mit ihr zu den Käfigen der königlichen Menagerie ging. Dort hielten die beiden sich oft stundenlang auf und beobachteten die exotischen Vögel und andere seltene Tiere. Handelsreisende aus dem Heiligen Land und den südlichen Ländern des Römischen Reiches hatten sie dem Herrscherpaar geschenkt, wie Cristin von Ewa wusste.
Das Kind hatte die junge Dienerin, die Cristin bei ihrem ersten Besuch auf dem Wawel zugeteilt worden war, schnell ins Herz geschlossen. Am meisten hatte es Elisabeth allerdings Janek angetan, und sie strahlte übers ganze Gesicht vor Freude, wenn der Junge sie auf den Rücken einer prächtigen Trakehnerstute setzte.
Inzwischen hatte sich Dunkelheit über den Wawel gesenkt, und Elisabeth schlief längst friedlich in ihrem Bettchen. Der Abendwind wehte den kräftigen Geruch der Pferde durch das geöffnete Fenster in ihre Kammer. Von den labyrinthähnlich angelegten Fluren der Burg drangen die Töne einer Fidel, die zarten Klänge einer Harfe und zahlreiche Flöten zu ihrem Gemach herüber. Cristin hob den Kopf von ihrer Stickarbeit und lauschte. Königin Jadwiga, die selbst mehrere Instrumente zu spielen verstand, hatte Gäste aus aller Herren Länder zu sich geladen, um gemeinsam zu musizieren. Bereits am Tag zuvor waren Cristin Männer in fremdartig anmutenden Gewändern und
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