Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
polnische Königin viel Zeit miteinander verbrachten, um sich alles zu berichten, was sich seit ihrem letzten Beisammensein ereignet hatte. Jadwiga hatte der Deutschen schon im vergangenen Jahr von ihren Plänen erzählt, die Krakower Akademie ausbauen zu lassen.
»Die Menschen brauchen Bildung«, waren ihre Worte gewesen. »Denn nur gebildete Menschen treffen weise Entscheidungen.«
Trotz ihrer baldigen Niederkunft hielt Königin Jadwiga nicht in ihrem eisernen Bestreben inne. Die Studia Generalia am östlichen Rand des Rynek, Krakows riesigem Marktplatz, musste mit neuem Leben erfüllt werden. Bekannte Philosophen, Mediziner, Theologen und Astronomen sollten in die Stadt kommen und die von König Kasimir gegründete Akademie weit über das polnische Königreich hinaus bekannt machen. Dafür ließ Jadwiga sich regelmäßig über die Baufortschritte am neuen Collegium Maius Bericht erstatten und übte selbst mit sanfter, aber energischer Hand Einfluss aus, um auch die alten Gebäude wieder in neuem Glanz erstrahlen zu lassen.
Von den Zofen und Köchinnen erfuhr Cristin, dass die Herrscherin für die Verwirklichung ihres Lebenstraumes einen Großteil ihrer Juwelen verkaufte. Der König schien sie bei ihrem Vorhaben tatkräftig zu unterstützen. Cristin zollte ihm für diese Handlungsweise Respekt, selbst wenn den Regenten möglicherweise nicht dieselben lauteren Beweggründe für diese Wohltaten leiteten wie die Königin.
Hatte Jadwiga mal keine Gesandten oder Berater um sich geschart, so saßen die beiden Freundinnen beieinander, meist spät am Abend, wenn die Ritter und Bediensteten schon in tiefem Schlaf lagen. Nur dann bot sich die Gelegenheit, ungestört miteinander zu plaudern.
Eines Abends, Jadwiga und Cristin hatten es sich im königlichen Gemach bequem gemacht, gab die Königin einer der Dienerinnen, die sich diskret in eine stille Ecke zurückgezogen hatten, einen Wink. Sie sprach das junge Mädchen auf Polnisch an, woraufhin es eilig aus dem Raum schritt. Als die Dienerin wenig später zurückkehrte, übergab sie Jadwiga zu Cristins Überraschung eine Laute .
»Ihr beherrscht das Lautenspiel?«, entfuhr es der Besucherin, die verblüfft zusah, wie die Königin das Instrument an sich nahm und ihm mithilfe eines Federkiels einige sehnsuchtsvolle Töne entlockte.
Jadwiga blickte auf und lächelte. »Oh ja, ich spiele, seit ich ungefähr acht Jahre alt bin, denn täglich kamen Lehrer, um mich neben anderer Studien auch in verschiedenen Instrumenten sowie fremden Sprachen zu unterrichten. Immerhin sollte ich früh auf meine Aufgabe als spätere Herrscherin vorbereitet werden.«
»Ich verstehe. Vielleicht mögt Ihr uns etwas vorspielen?«
»Gern. Musik ist für mich die schönste aller Künste.«
Erfreut lehnte Cristin sich in ihrem Sessel zurück und lauschte der fremden Weise. Unaufdringlich betrachtete sie dabei die polnische Herrscherin, deren Antlitz im Licht einer Kerze weich schimmerte. Jadwigas Blick war träumerisch und verlor sich in der Ferne, während sie mit leiser Stimme die Melodie begleitete.
»In welcher Sprache habt Ihr gesungen?«, wollte Cristin wissen, als die Königin geendet hatte.
»Es ist Italienisch, eine alte Melodie, die ich von einem Barden erlernte und sehr liebe.« Jadwiga lächelte. »Das Lied erzählt von der Pracht Venedigs.« Ihr Lächeln vertiefte sich. »Wobei selbst die Poesie nicht ausreicht, um Venezias Schönheit in die richtigen Worte zu kleiden.«
Cristins Augen weiteten sich. »Wart Ihr denn schon einmal in dieser Stadt?«
»Gewiss, liebste Cristin. Ich habe meinen Gemahl vor einigen Jahren bei einer Reise nach Venedig begleitet.« Die Königin legte die Laute beiseite. »Ich wünschte, ich könnte sie dir zeigen, meine Liebe. Weißt du, es mag vieleprächtige Städte geben, doch Venedig hat sich mir ins Gedächtnis eingebrannt. Es besitzt einen eigenen Zauber, dem ich mich nicht entziehen konnte. Nie wieder hat mich Schönheit so sehr berührt wie damals, als ich die goldene Lagunenstadt vor mir sah.«
Jadwigas Blick schien durch Cristin hindurchzugehen, als sie weitersprach.
»Ich erinnere mich, dass Jagiello im Palast des Dogen weilte. So hatte ich Muße, um nach Tuchwaren, Seide und Glas Ausschau zu halten. Später besuchte ich noch eine kleine Klosterinsel und verfolgte, wie die Sonne über der Lagune unterging.Diese Farben, dieser goldene Schimmer auf dem Wasser und den Gräsern, dieser Frieden. Ach, Cristin, wie gern würde ich die Stadt malen, um
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