Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
sorgenvoller Miene. »Ihre Majestät hat eine Sturzgeburt erlitten.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe getan, was ich konnte, doch alles ging so schnell.« Er wischte sich über das von einem kurz geschnittenen Bart bedeckte Kinn. »Wir haben alles versucht, um die Frühgeburt zu verhindern. Aber selbst die Heilstoffe des Mutterkorns haben nicht schnell genug wirken können.«
Cristin legte ihre Wange gegen die kühle Wand und sog die frische Luft, die aus einem geöffneten Flurfenster zu ihr herüberdrang, in die Lungen, um sich zu sammeln.
»Dem Allmächtigen hat es gefallen, dieses Kind jetzt schon auf die Welt zu schicken. Möge die Heilige Jungfrau ihre Hand schützend über unsere Herrscherin halten«, murmelte er.
Das Herz wurde ihr schwer, als sie die Resignation in der Stimme des Medicus wahrnahm. »Wird es überleben?«
»Es atmet gut, das ist alles, was ich für den Moment sagen kann. Ob es allerdings stark genug ist …?«
Cristin und der Arzt sahen einander bedeutungsschwer an. Dann nickte sie und schritt auf die Tür zu, hinter der Königin Jadwiga und ihr Neugeborenes auf sie warteten.
Mit wachsender Sorge musste Cristin in den folgenden Tagen und Wochen mit ansehen, wie Jadwiga zunehmend unter schwermütigen Gedanken litt. Auch hatte sich die Nachgeburt nicht vollständig abgelöst. Die beiden Ärzte, mehrere Wehfrauen und Schwestern kämpften rund um die Uhr um die Gesundheit Jadwigas und ihrer kleinen Tochter, der das Herrscherpaarden Namen Liliana gegeben hatte – nach den fremdländischen Blumen, die Jagiello seiner Gemahlin geschenkt hatte.
Als sich die Nachgeburt abgelöst hatte, atmeten die Ärzte auf. Nun endlich befand sich die Königin auf dem Weg der Besserung. Doch die Hoffnung trog, denn Jadwigas Zustand erfuhr dieselben Höhen und Tiefen wie der Leib ihres kleinen Mädchens, das mit erstaunlicher Kraft um sein Leben kämpfte. Allerdings nahm das Kind kaum an Gewicht zu. Oft starrte die Königin ihre Vertraute nur teilnahmslos an, wenn Cristin diesein ihren Gemächern aufsuchte, um sie ein wenig aufzumuntern.
»Zu viel schwarze Galle«, wie ihr der nun ständig anwesende Medicus erklärte, »ein Ungleichgewicht der Körpersäfte.«
Cristin wusste es besser. Die Königin bangte um ihr Kind. Jadwiga hatte darum gebeten, die Kleine auf den Bauch zu binden, damit es immer bei ihr sein konnte, selbst wenn sie mal zu schwach sollte, um es zu halten. Anfangs schrie es oft zum Gotterbarmen. Dann wiegte Jadwiga die Kleine in ihrem Arm, strich ihr über den winzigen Kopf oder sang ihr etwas vor. »Gib nicht auf, mein Liebling«, hörte Cristin sie wieder und wieder flüstern. Es zerriss ihr das Herz, die Freundin so verzweifelt zu sehen.
Könnte ich doch nur eine kleine Weile mit der Königin allein sein, flehte sie stumm. Vielleicht würde die Gabe ihrer Hände etwas gegen Lilianas Schwäche ausrichten, sie genügend stärken, damit das Kind an Gewicht zunahm und wuchs. Der Gedanke ließ Cristin kaum zur Ruhe kommen. Natürlich, sie könnte Jadwiga bitten, sie möge ihre Dienerinnen fortschicken. Aber was sollte sie den Ärzten sagen, die in den Gemächern ein und aus gingen und jedes Wimpernzucken der Königin beobachteten? Das durfte Cristin nicht riskieren, zu groß war die Gefahr, dass jemand König Jagiello von ihrem sonderbaren Verhalten berichtete.
Währenddessen gönnte sich Jadwiga keinen Augenblick Schlaf. Jeden wohlmeinenden Befehl des Arztes, sie möge ruhen, um wieder zu Kräften zu kommen, schlug sie energisch aus.
»Wie kann ich schlafen, wenn Liliana weint?«
Doch bald wimmerte das Mädchen nur noch. Die Kleine trank schlecht, und das Wenige, das sie zu sich nahm, erbrach sie wieder, was den zarten Körper weiter schwächte. Mit Entsetzen beobachtete Cristin, wie auch Jadwiga von Tag zu Tag mehr von ihrer Lebensfreude, ihrem einstigen Strahlen einbüßte. Der ohnehin zierliche Leib der Königin wurde hager und matt. Unglücklicherweise begannen das Kind auch noch Durchfälle zu plagen. Am Nachmittag des 13. Juli 1399 schließlich – drei Wochen nach seiner Geburt in dem Krakower Spital – wurde ein Priester gerufen, um die Taufe vorzunehmen, die Jagiello eigentlich für den nächsten Monat in der Wawelkathedrale geplant hatte.
Auf ausdrücklichen Wunsch Jadwigas war Cristin zur Königin geeilt, um als Zeugin am Sakrament des Glaubens teilzunehmen, das die Erbsünde von dem Kind nehmen sollte.
Von mehreren Kissen gestützt, saß die Königin in ihrem Bett und
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