Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
einfach Jadwigas Hände in ihre und wachte still an ihrem Bett oder sang ihr etwas vor, in der Hoffnung, die Freundin doch noch aus ihrer Lethargie reißen zu können. Aber vergebens, nicht einmal die eilends herbeigerufenen besten Ärzte des Landes konnten etwas ausrichten.
Am nächsten Abend, es war der 17. Juli, stand eine ältliche Dienerin in der halb geöffneten Tür zu Cristins Kammer und sah sie mit bekümmerter Miene an.
»Kommt bitte, Herrin. Ich fürchte, es geht zu Ende.«
Sie konnte, wollte es nicht glauben. Konnte Gott das wirklich zulassen? Cristins Nacht war schlaflos verlaufen, nachdem sie das Gemach der Königin verlassen hatte. In ihrer Kammer hatte sieauf Knien um ein Wunder gebetet und gefleht, Jadwigas Zustand möge sich wieder bessern, bis ihr endlich irgendwann gegen Morgen vor Erschöpfung die Augen zugefallen waren.
Sie folgte der Frau, die mit hängenden Schultern vor ihr herging, und betrat die Gemächer der Königin. Ihr Herz schlug dumpf und schwer gegen die Rippen. Nur unter Auferbietung all ihrer Kraft gelang es ihr, Haltung zu bewahren. Die Nachricht der Leibärzte, die Königliche Hoheit stehe an der Schwelle des Todes, hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Ein jeder, dem Cristin auf dem Weg zu Jadwigas Gemächern begegnete, schwieg betreten und mit gesenkten Lidern. Die Lebenslust und Fröhlichkeit, die sonst am Hofe herrschten, schienen auf dieselbe Weise zu schwinden wie die Lebenszeit der verehrten Königin. Wie still es überall war! Cristin schauderte. Der betäubende Geruch von Weihrauch und Myrrhe erfüllte die schicksalsschwangere Luft.
Dann stand sie im Schlafgemach Jadwigas, wo sich bereits ein halbes Dutzend Personen versammelt hatten. Der König saß auf einem gepolsterten Lehnstuhl. Jagiello wirkte übernächtigt und um Jahre gealtert. Hatte er die Nacht am Bett seiner Gemahlin verbracht? Es schien so, denn seine tief liegenden Augen zeugten von Erschöpfung und die mahlenden Kieferknochen von nur mühsam unterdrückter Verzweiflung. Der König schenkte Cristin keinerlei Beachtung, vielmehr wirkte er, als könnte er sich von dem Anblick seiner Gemahlin nicht losreißen. Einen winzigen Moment lang schien der Herrscher zu vergessen, wer er war, und die Art, wie er die Todkranke betrachtete, sprach von aufrichtiger Zuneigung und Trauer.
Abermals war Cristin verblüfft von Jagiello, und zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, empfand sie so etwas wie Verbundenheit mit ihm. Niemand sagte einen Ton, nur das unterdrückte Schluchzen der jungen Zofe mit dem hellen Haar, die offenbar bei der Königin geweilt hatte und nun mit unsicheren Schritten das Gemach verließ, war zu hören. Cristin bemerkte, wie eine weitere Dienerin sich dem Krankenlager näherte. Eine Erkenntnis ließ sie vor Kälte erstarren. Jadwiga sagt Lebewohl . Cristin bekreuzigte sich. Mit einem Male erschien ihr die Luft stickig. Der Geruch von Krankheit, Kräuterdämpfen und Medizin machte sie schwindelig. Cristin atmete tief. Sie durfte jetzt nicht zusammenbrechen.
Die Anwesenden, die das Bett umringten, versperrten ihr die Sicht auf die Sterbende. Ihr Blick suchte den des alten Medicus. Doch der schlanke weißhaarige Mann schüttelte nur den Kopf, schwieg. Die Goldspinnerin trat näher.
Das Antlitz der Königin war leichenblass. Sie so daliegen zu sehen, wissend, dass Jadwiga schon bald vor ihren Schöpfer treten würde, schnürte Cristin die Kehle zu. Sie trat einen Schritt vor, als die Sterbende die Augen öffnete. Still ruhte ihr Blick auf der Freundin, dann öffneten sich die nunmehr blutleeren Lippen, doch die Worte, die nur mühsam über sie kommen wollten, waren kaum mehr als ein Flüstern. Cristin beugte sich vor und legte das Ohr an den Mund der Königin.
»Danke«, vernahm sie. »Danke, für alles, meine … Freundin.«
Tränen schossen Cristin in die Augen, und bevor sie den Kopf abwenden konnte, fiel eine hinunter und benetzte Jadwigas Hals. Wieder öffnete diese den Mund.
»Weine nicht um mich, ich gehe gern.« Tief sog die Regentin die Luft ein, bevor sie weitersprach. »Nun werde ich den sehen, der meines Lebens Kraft und Halt war …« Ein weiterer Atemzug, schon flacher.
Cristin griff nach der schmalen Hand. »Ja, meine Königin«, hörte sie sich selbst sagen, »dann werdet Ihr den Lohn erhalten für all das Gute, das Ihr in Seinem Namen gewirkt habt.«
Ein schwaches Lächeln umspielte die Mundwinkel in dem einst so heiteren, schönen Gesicht. Nun war es vom Tod gezeichnet. Er
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