Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
aufgebrochen«, gab die Dienerin zurück.
Jadwigas Stirn umwölkte sich. Cristin wusste, ihre Freundin konnte der Jagd in den königlichen Wäldern nichts abgewinnen. Natürlich hatte auch Cristin nichts gegen ein gutes Stück Braten einzuwenden, doch Tiere zum reinen Vergnügen zu töten, war ihr zuwider. Schließlich waren die Speisekammern des Wawel gut gefüllt, Schweine und Hühner waren reichlich vorhanden, sodass an Fleisch wahrlich kein Mangel herrschte. Es schüttelte sie, wenn sie an das Gemetzel dachte, das die Jagdgesellschaft unter den Hirschen, Wildschweinen und anderen Waldtieren anrichtete. Baldo hatte ihr davon erzählt, denn bei ihrem ersten Besuch auf dem Wawel war er einmal zur Jagd eingeladen worden.
Cristin betrachtete die Herrscherin Polens und Litauens eingehend. Jadwiga hielt eine der Blumen in den Händen und roch mit zart geröteten Wangen an der Blüte. Offensichtlich hegte sie für Jagiello tiefere Gefühle, als ihr bewusst war. Auch sie selbst hatte einst die Erfahrung gemacht, dass aus einer arrangierten Ehe durchaus eine Liebesbeziehung erwachsen konnte, wenn das Paar sich mit der Zeit besser kennen- und schätzen lernte. Ihr Blick wanderte weiter zu Jadwigas gewölbten Leib unter dem kostbaren Surcot . Gewiss tat die Vorfreude auf den erwarteten Thronfolger zwischen den Eheleuten ihr Übriges.
Die Tür öffnete sich, und eine weitere Dienerin trat ein. »Hoheit, der Kutscher steht zu Euren Diensten.«
»Danke. Ich komme.« Die Königin wandte sich Cristin zu. »Mache dir bitte keine Sorgen, liebste Freundin. Am Nachmittag werde ich zurück sein und mich wieder folgsam ins Bett begeben.« Über ihr Gesicht huschte ein Lächeln. »Schau, es ist ein wunderschöner Tag und wie gemacht dafür, eine Spazierfahrt durch Krakow und das Umland zu machen.«
»Das Volk wird ebenso erfreut sein wie Ihr«, erwiderte Cristin warm.
Jadwigas Schritte wirkten schleppend, als sie sich Elisabeth näherte, um ihr mit einer Hand über das rotblonde Haar zu streichen, während die andere auf ihrem Bauch ruhte.
»Kommt nach dem Abendessen in meine Gemächer, damit wir noch ein wenig plaudern können, ja?«
Cristin verbeugte sich leicht und sah der Königin und ihrem Gefolge nach, bis ihre Schritte sich entfernten.
Warmer Wind strich über Cristins Wangen und spielte mit einer Haarsträhne, die sich aus dem Kopftuch gelöst hatte. »Halte dich gut fest, Schätzchen«, ermahnte sie Elisabeth und nahm ihre Hand.
Die Kleine saß auf einem gutmütig wirkenden Kaltblut und ließ sich von Jaromir über den Burghof führen. Die Augen der Zweijährigen strahlten mit der Junisonne um die Wette. Mit angestrengter Miene hielt sich das Kind an der Mähne fest. Auf dem Hof war Ruhe eingekehrt, jedermann schien mit seiner Arbeit beschäftigt. Cristin schaute hoch zu dem wolkenlosen Himmel. Es musste inzwischen später Nachmittag sein, denn die Schatten wurden allmählich länger. Von den Stallungen her wehte der kräftige Geruch von Pferdemist zu ihr herüber, und einer der Hähne krähte. Cristin lächelte und wünschte sich wieder einmal, Baldo wäre bei ihr und sie könnten diesen Sommertag gemeinsam genießen.
»Guck mal, Mama, was Betha macht!«, rief Elisabeth und holte Cristin in die Wirklichkeit zurück.
»Du machst das sehr schön, mein Schatz«, gab sie zurück. »Aber nun wird es Zeit für eine gründliche Wäsche, damit die Königin nicht erschrickt, wenn sie uns später sieht.«
Elisabeth zog einen Flunsch, doch Cristin ließ sich nicht erweichen. Sie wartete, bis Jaromir das Tier zum Stehen brachte, und zog die Kleine sachte von dem breiten Rücken des Pferdes.
Das Dröhnen von Pferdehufen auf dem gepflasterten Weg, der vom Wawel zum Schloss führte, war plötzlich zu vernehmen. Schon eilten Bedienstete von allen Seiten des Burghofes herbei.
»Das wird die Königin sein. Öffnet die Tore!«, rief einer der Männer, woraufhin zwei andere sich geflissentlich mit den schweren Riegeln abmühten. Gerade rechtzeitig, denn kaum waren sie geöffnet, galoppierte ein Ritter herein. Das Pferd wieherte und tänzelte.
»Zu Hilfe! Die Heilerin Agnes möge kommen! Rasch!«
Cristin erstarrte mitten in der Bewegung. »Ich bin hier. Was ist geschehen?«
»Keine Zeit für Erklärungen!«, rief der Mann. »Kommt!«
Cristins Herz machte einen schmerzhaften Satz. »Jaromir«, stieß sie an den Schmied gewandt hervor, »bitte achte solange auf meine Tochter.«
Bevor sie wusste, wie ihr geschah, hoben kräftige
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