Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
Vom Netzwerk:
sich über sie. Auf einmal glich die Trauermenge einem aufgescheuchten Bienenschwarm. Einige schrien entsetzt, als sie begriffen, andere stürzten auf ihre leidende Königin zu, um einen Blick auf sie erhaschen zu können.
    »Beruhigt die Leute, hört Ihr?«, rief einer der Leibärzte einem der Ritter zu.
    »Ihre Majestät muss so schnell wie möglich in ihre Gemächer zurückgebracht werden, damit sie untersucht werden kann!«
    Cristin war wie versteinert. Die Szene glich einem Albtraum. Jadwiga, in sich zusammengefallen wie eine uralte Frau. Die Trauergäste, die nun nicht nur um das tote Kind weinten, sondern auch aus Angst um ihre Königin. Das Schluchzen aus vielen Kehlen und die Hilflosigkeit, die jeden von ihnen ergriffen hatte, senkten sich wie eine dunkle Wolke über sie.
    »Bitte, Herr Medicus, lasst mich bei der Königin sein«, bat sie einen der Ärzte.
    Der musterte sie kurz. »Sollte die Königliche Hoheit Eure Anwesenheit wünschen, lasse ich nach Euch schicken.«
    Stumm sah Cristin mit an, wie Jagiello, gefolgt von den beiden Leibärzten und drei Zofen, den fahrbaren Sessel mit der Königin auf das Eingangstor des Palas zuschob. Jadwigas Kinn ruhte auf der schmalen Brust, die Erschöpfte war eingeschlafen. Schnell lief sie der kleinen Gruppe nach, schlüpfte durch das geöffnete Portal und verfolgte, wie Jagiello und der jüngere Arzt Jadwiga aus dem Stuhl hoben und die Treppen hinauf ins erste Geschoss trugen, wo sich ihre Gemächer befanden.
    Als der alte Medicus das Geräusch ihrer Schritte hinter sich vernahm, drehte er den Kopf und blieb stehen. »Wartet, bis wir Majestät untersucht haben.«
    Dann schloss sich die Tür. Die beiden Leibwächter, die gewöhnlich mit dem Rücken zur Wand stumm links und rechts der Tür standen, tuschelten aufgeregt.
    Die nun folgenden Augenblicke kamen Cristin wie eine Ewigkeit vor. Bangen Herzens lief sie auf dem langen Gang auf und ab. Selbst die Augen der würdevollen, kostbar gekleideten Männer und Frauen auf den Gemälden an den weiß gekalkten Wänden schienen traurig auf sie herabzublicken. Endlich öffnete sich die Tür.
    »Kommt, Herrin«, presste eine der Zofen hervor, ein junges Ding mit weizenblondem Haar. »Die Königin möchte Euch sehen.«
    Cristin folgte der jungen Frau, vorbei an den beiden Ärzten, die im Vorraum leise mit dem König sprachen.
    »… mit meinem Latein am Ende«, hörte sie den älteren der beiden Männer sagen. »Ich fürchte, ihr Lebenswille ist erloschen, mein König.«
    Die Zofe öffnete die Flügeltüren des Schlafzimmers und trat zur Seite. Jadwiga war wach, ihr Blick jedoch verhangen. Als sie Cristin gewahr wurde, verzog sich ihr Mund zu einem leichten Lächeln.
    »Komm, meine Liebe«, kam es schwach von ihren Lippen. Die junge Goldspinnerin trat an das Bett, legte ihre Hand auf die Jadwigas, die auf der Bettdecke ruhten. »Bleibe ein wenig bei mir.«
    Die junge Frau schluckte. »Solange Ihr wollt.«
    »Dann setz dich, Agnes.«
    »Ja, meine Königin.«
    »Und Freundin , hoffe ich.«
    Cristin nickte. Ihre Augen wurden feucht. »Eure Worte machen mich stolz.«
    Die Königin drehte den Kopf. »Wo ist mein Gemahl?«
    »Vor der Tür, er spricht mit Euren Ärzten.«
    Müde schloss Jadwiga die Augen. »Gut. Ich will ein wenig schlafen.«
    »Herrin.«
    Cristin zuckte zusammen, der Schlaf musste sie übermannt haben, während sie an Jadwigas Bett gewacht hatte.
    Der jüngere Medicus hatte ihr die Hand auf die Schulter gelegt. »Ihr könnt jetzt gehen.«
    »Verzeiht«, erwiderte sie benommen.
    »Legt Euch ein wenig nieder. Es ist bald Mitternacht. Wenn die Königin erwacht und nach Euch fragt, lassen wir nach Euch schicken.«
    Cristin sah zum Fenster hinüber. Ein bleicher Halbmond stand am wolkenlosen Himmel. Sie erhob sich und streckte den schmerzenden Rücken. Ein letzter Blick zum Bett der Königin. Jadwigas Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig, sie atmete mit leicht geöffnetem Mund. Auf Zehenspitzen verließ die junge Frau den Raum, um ihre eigene Kammer aufzusuchen.
    Jadwiga sprach nicht mehr, starrte nur mit teilnahmsloser Miene aus dem Fenster, obwohl Cristin sich alle Mühe gab, die Königin mit kleinen Begebenheiten und Erzählungen von ihrem neuen Leben in Hamburg aufzuheitern. Selbst Piet, über den Jadwiga immer hatte lachen können und den Cristin deshalb rufen ließ, konnte der Königin nicht das kleinste Lächeln aufs Gesicht zaubern und musste den Wawel unverrichteter Dinge wieder verlassen. Oft nahm Cristin

Weitere Kostenlose Bücher