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Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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erkennen. Die Zeit im Kerker hatte sein Gesicht schmaler werden lassen, außerdem bedeckte ein halblanger Bart Wangen und Kinn. Lynhards Augen lagen tief in den Höhlen, und der scharfe Geruch von Schweiß umgab ihn. Während er vor den Richtertisch geführt wurde, hinter dem der Richterherr und der Fiskal saßen, hörte Cristin, wie Mechthild neben ihr scharf die Luft einsog. Die Goldspinnerin betrachtete Vogt Büttenwart, dem ein Arm fehlte, genauer.
    Der Richteherr verzog das Gesicht, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und presste die Hand auf den Leib. Wie damals, als sie ihn aufgesucht und gebeten hatte, mit ihr zu Lüttke, dem Lübecker Salzhändler und Kumpan Lynhards zu kommen, schien der Vogt noch immer leidend zu sein.
    Einige Momente lang stand ihr wieder vor Augen, was ihrem Besuch bei Büttenwart vorausgegangen war. Sie sah sich selbst im Griff des Salzhändlers, der sie wie einen Sack Getreide mit sich zerrte, und auch den kalten Stahl des Dolchs meinte sie wieder an ihrer Kehle zu fühlen. Dann war alles plötzlich ganz schnell gegangen. Karolina, die junge Polin, hatte Lüttke niedergeschlagen, und Baldo war auf den Kerl zugestürzt und hatte ihn überwältigt. Der Mädchenhändler und Verbündete Lynhards hatte später gestanden, von dem geplanten Mord an Lukas gewusst zu haben. Wäre Lüttke noch am Leben, säße er jetzt sicherlich vor dem Richtertisch neben Lynhard, der mit gesenktem Blick vor seinen Anklägern wartete. Doch Lüttke hatte der Schlag getroffen, und er war kurz vor der ersten Verhandlung daran verschieden.
    »Bürger Lübecks, ehrenwerte Ratsherren und Schöffen«, unterbrach Fiskal Mangels Stimme ihre Gedanken.
    Cristin hob den Kopf.
    »Wir sind heute, am 1. September im Jahre des Herrn 1399, zusammengekommen, um erneut Blutgericht gegen Lynhard Bremer zu halten. Die Stadt und der Hohe Rat klagen ihn an, seinen eigenen Bruder Lukas Bremer, den ehrenwerten Besitzer der Goldspinnerei in der Hunnestrate, entleibt zu haben.« Es folgte die Aufzählung der Schöffen, dann nickte der Fiskal einem hageren Priester in der ersten Zuschauerreihe zu. »Bruder Hieronymus, waltet Eures Amtes.«
    Der Angesprochene erhob sich, trat einen Schritt vor und sprach ein salbungsvolles Gebet um eine Gott wohlgefällige Verhandlung und ein gerechtes Urteil durch die zwölf Schöffen.
    »Erhebt Euch, Angeklagter, und tretet vor«, forderte Vogt Büttenwart Lynhard Bremer nun auf.
    Einer der beiden Büttel, die rechts und links von Lynhard saßen, führte ihn vor den Richtertisch.
    »Habt Ihr keinen Fürsprecher?«, wollte der Vogt wissen.
    Lynhard schüttelte den Kopf. »Ich brauche keinen Beistand.«
    »Wie Ihr meint.«
    Wie schon bei seiner ersten Verhandlung verzichtete Lynhard also auf die Hilfe eines rechtskundigen Mannes, der ihn davor bewahrte, sich durch einen Versprecher oder unbedachte Äußerungen um Kopf und Kragen zu bringen. Er muss sich sehr sicher sein, den Prozess zu gewinnen, dachte Cristin, während der Richteherr weitersprach.
    »Vor über zwei Jahren sollt Ihr Euren Bruder Lukas ermordet haben. Ihr habt das damals vor dem Allmächtigen und diesem Gericht geleugnet. Wegen anderer Untaten saßt Ihr bis heute im Turm und hattet somit genügend Zeit, in Euch zu gehen und darüber nachzudenken, ob Ihr nicht doch ein Geständnis ablegen wollt. Dazu gibt Euch das Gericht nun Gelegenheit, Bremer.«
    Aufmerksam betrachtete Cristin ihren Schwager. Ließ sich aus seiner Miene zumindest ein Hauch seiner Gemütsregungen herauslesen? Als ob Lynhard spürte, dass sie ihn musterte, wandte er den Kopf zur anderen Seite. Einige Momente lang war es still im Saal, bis der Fiskal erneut das Wort ergriff.
    »Bremer, habt Ihr verstanden, was der Richteherr gesagt hat?«
    Lynhards Haltung war kerzengerade, und in seinem Blick konnte Cristin ein ungebrochenes Feuer ausmachen. Klar und deutlich hallte seine Stimme durch den Saal, als er erhobenen Hauptes ausrief: »Ich habe nichts zu sagen!«
    Cristin erkannte in Mechthilds Miene dieselbe Entrüstung, die auch sie selbst ergriffen hatte. Sie musste an sich halten, damit sie nicht aufsprang und die einsetzende Stille nutzte, um Lynhard all das ins Gesicht zu schleudern, was sie ihm nur zu gern schon lange gesagt hätte. Dass er nicht nur das Leben ihres verstorbenen Gatten auf dem Gewissen hatte, sondern auch das ihrer und seiner Familie. Doch als sich Baldos Hand auf die ihre legte, biss sie sich auf die Zunge und schwieg.
    Büttenwart beugte sich vor. »Wie

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