Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
Ihr wollt, Bremer. Ihr könnt Euch wieder setzen.«
Während der Büttel den Angeklagten zu seinem Platz zurückführte, sprach der Vogt weiter.
»Bei der letzten Verhandlung konnte Euch das Gericht dieses abscheuliche Verbrechen nicht nachweisen, aber inzwischen hat sich eine Zeugin gemeldet, die bereit ist, ihre Aussage zu machen!«
Ein Raunen ging durch den Saal.
»Gislind Lüttke, tretet vor.«
Baldo und Cristin sahen einander verblüfft an. Ihre Gedanken überschlugen sich. Gislind Lüttke. Nur einmal waren sie dieser Frau begegnet, damals, als sie den Salzhändler aufgesucht hatten. Seine Witwe erhob sich und ging langsam zum Richtertisch.
»Frau Lüttke, Ihr seid vor einigen Tagen zu mir gekommen, weil Euch Euer Gewissen keine Ruhe mehr ließ. Nun wiederholt hier und heute vor den Schöffen, dem hohen Gericht und im Angesicht Gottes, was Ihr mir an jenem Abend gestanden habt.«
Die Zeugin nickte zögernd und schlug die Augen nieder. Ihre Haut hatte die Farbe von Kalk. Gislind Lüttke war es also, die das Gericht dazu gebracht hatte, Lynhard erneut den Prozess zu machen! In ihrem Gesicht arbeitete es.
»Es muss zwei Jahre her sein, da kam der Angeklagte in unser Haus«, begann sie zögernd und fingerte dabei an ihrem Rosenkranz herum, den sie wie jede anständige Frau stets am Gürtel trug. Das Sprechen bereitete ihr offensichtlich große Mühe. »Mein Mann und Bremer gingen in die Dornse . Hilmar sagte, sie wollten nicht gestört werden. Sogar die Tür hat er verschlossen. Ich konnte sie dennoch miteinander reden hören. Außerdem wollte ich, nun ja, ich habe …«
»Ihr habt gelauscht.«
»Ich weiß, natürlich schickt sich das nicht. Aber ich habe mich gefragt, was es mal wieder Geheimes zu besprechen gab. Das Gespräch kam mir unheimlich vor.« Gislind Lüttke schaute geradeaus, als ob die Erinnerung wieder lebendig in ihr wurde, und schluckte. »Es machte mir Angst.«
»Was habt Ihr damals mit angehört?«
»Es ging darum, dass jemand aus dem Weg geschafft werden sollte.« Sie brach ab, kämpfte mit den Tränen.
Cristin hielt den Atem an. Wie mutig von Gislind Lüttke, sich der Schmach auszusetzen, über den eigenen verstorbenen Mann zu richten! Ihr Herz hämmerte heftig in ihrer Brust. Cristin nahm einen tiefen Atemzug. Die Hände im Schoß gefaltet, wartete sie, bis ihr Herzschlag sich wieder beruhigt hatte. Baldo mahlte mit den Kieferknochen. Mechthild dagegen saß bewegungslos wie eine Statue neben ihr.
»Dieser Satz ist tatsächlich gefallen?«
»Ja. Ich dachte zunächst, ich hätte mich verhört, aber dann antwortete Hilmar, dass sie das alle an den Galgen bringe, wenn es herauskäme.«
»Wie könnt Ihr es wagen, derartige Lügen zu verbreiten?« Lynhard Bremer war aufgesprungen, das Gesicht zu einer Fratze verzogen. Die wächserne Bleiche seiner Haut stand in krassem Gegensatz zu seinen in einem irren Licht funkelnden Augen. »Ihr seid ein genauso verlogenes Weibsstück wie meine Schwägerin!«
Cristin erschrak. Hätten die Büttel Lynhard nicht mit eisernem Griff umklammert, er hätte sich gewiss auf Gislind Lüttke gestürzt. Cristin ergriff Baldos Hand und drückte sie, denn sie spürte, dass auch er kurz davor war aufzuspringen.
Den Vogt schien Lynhards Ausbruch nicht sonderlich zu beeindrucken. Er gab dem Büttel einen Wink, und sie drückten den Angeklagten auf seinen Stuhl nieder. Büttenwart wandte sich nun wieder der Zeugin zu und nickte. »Noch etwas, Frau Lüttke?«
Die Zeugin sammelte sich und sprach weiter. »Bremer beruhigte meinen Mann. Er sagte, Küppers, der Medicus, werde ihm ein tödliches Gift mischen können. Eines, das später nicht nachzuweisen sei. Bremer lachte, ich konnte es deutlich hören, und versprach Hilmar und Küppers ein rauschendes Fest, wenn alles gelänge.« Gislind Lüttke räusperte sich. »Sie … sie kennen sich schon seit Kindertagen.«
»Kannten«, korrigierte der Fiskal sie. »Konrad Küppers ist ebenfalls nicht mehr am Leben. Oder wisst Ihr etwa nicht, dass man seinen Leichnam im letzten Jahr aus der Wakenitz gezogen hat?«
Aufgebläht wie eine Schweinsblase. Cristin erinnerte sich wieder andie Worte eines Gauklers, der den Toten gesehen hatte. Der Salzhändler hatte den Medicus schwer belastet, bevor ihn der Schlag getroffen hatte.
Gislind Lüttke nickte. »Mein Mann hat es mir gesagt.«
23
D ie junge Frau schlenderte die Hunnestrate hinunter, dem Rathaus zu. Das dunkle Kleid, welches der Mann ihr geschenkt hatte, passte wie
Weitere Kostenlose Bücher