Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
ihm nicht ihren wahren Namen verraten. Sie hieß Mirke Pöhlmann. Für ihn war sie jedoch Johanna, die Bettlerin.
Im Gerichtssaal entstand Tumult. Die Zuschauer flüsterten miteinander, wiesen hinter vorgehaltener Hand auf den Angeklagten. Büttenwart schlug mit der Faust auf den Tisch. Auf seiner breiten Stirn bildeten sich Unmutsfalten. Augenblicklich kehrte Ruhe ein.
»Angeklagter, was habt Ihr dazu vorzubringen? War es so, wie die Zeugin behauptet? Ihr habt den ehrenwerten, seligen Medicus Küppers beauftragt, einen Mord zu begehen? Erhebt Euch gefälligst!«
Mechthilds Körper neben Cristin war wie eine Sehne gespannt. Die Blicke der Anwesenden mussten wie Feuer in ihrem Rücken brennen.
Lynhard sprang auf die Füße. »Was wollt Ihr hören, Richteherr?« Seine Stimme scholl durch den Saal. »Dass ich es getan habe?« Er lachte heiser. »Niemand hier bei Gericht würde mir meine Unschuld glauben, habe ich recht?«
Langsam, sich seiner Wirkung bewusst, betrachtete er nacheinander die Leute und verharrte schließlich bei Mechthilds Antlitz. Der Moment, als sich die Blicke der beiden begegneten, ließ Cristin eine Gänsehaut über die Arme kriechen. In Mechthilds Miene waren die Gefühle für ihren Mann so deutlich zu erkennen, als würde sie mit ihm sprechen. Flehend sah sie zu ihm auf, schien ihn an die gemeinsamen Kinder, ihre einstige Liebe und sein Gewissen zu erinnern.
Lynhard verstand, schluckte. Plötzlich wirkte sein Gesicht fast wie das eines Greises. Er bat leise um einen Schluck Wasser. Einer der Büttel reichte dem Angeklagten einen Becher, den er mit zitternden Händen leerte, ohne ihn abzusetzen. Noch einmal sah er über die Köpfe der Anwesenden hinweg.
»Ja!«, hallte es durch den Saal. Lynhard sah Büttenwart an. »Ja, ich habe ihn ermorden lassen! Ja, Gott stehe mir bei!«
Mechthild stöhnte leise auf.
»Lukas … er war geizig«, fuhr der Angeklagte fort. »Dabei aber reich genug, um eine Hand voll Familien zu ernähren. Was war denn schon dabei, mir ab und an mit ein paar Goldgulden auszuhelfen?« Lynhard fuhr sich über das strähnige blonde Haar. »Ich … befand mich in Schwierigkeiten, schuldete einer Reihe von Geschäftsleuten Geld. Doch der sture Pinsel war sich ja zu fein, um …«
»… um Euer ausschweifendes Leben länger zu finanzieren?« Büttenwarts Stimme klang gefährlich ruhig. »Und da lag der Gedanke nahe, Euch der Goldspinnerei des Bruders zu bemächtigen. Ist es nicht so, Herr Bremer?«
»Ja.«
Ein Schrei der Empörung aus vielen Mündern wurde laut. Cristins Blut rauschte in den Ohren. Küppers, Lynhard, Lüttke. Wie oft waren ihr diese Namen durch den Kopf gegangen? Der Medicus war bei ihr gewesen, als Elisabeth auf die Welt gekommen war. Er hatte Lukas behandelt, scheinheilig und wohl wissend, das Gift würde seine Wirkung nicht verfehlen.
»Verdammter Hurensohn«, hörte Cristin Baldo zwischen den Zähnen hervorpressen.
Mechthild neben ihr erbleichte.
Vogt Büttenwart musterte den Angeklagten, maß ihn kühl von oben bis unten.
»Ihr tut wohl daran, endlich die Wahrheit ans Licht zu bringen, Bremer. Doch sagt mir eines: Klug, wie Ihr seid, müsst Ihr doch gewusst haben, dass Cristin Bremer als rechtmäßigem Eheweib das Erbe der Spinnerei zusteht?«
Lynhard Bremer fuhr sich über das stoppelige Kinn. »Gewiss, Richteherr. Natürlich war mir dieser unglückliche Umstand bekannt. Beide sterben zu lassen, hätte mich jedoch sofort in Verdacht gebracht.«
Cristin sprang auf, die Hände zu Fäusten geballt. Ihre Wangen glühten, und die Worte sprühten wie eine Fontäne aus ihr heraus. »Deshalb hast du deinen Einfluss bei Mechthild genutzt, um ihr einzureden, ich hätte Lukas behext und umgebracht.« Baldo wollte sie auf den Stuhl zurückdrücken, doch sie entwand sich ihm.
»So konntest du mich loswerden, und das Erbe fiel nach meiner Verurteilung an dich. War es so, Lynhard? Ich möchte es aus deinem Mund hören!« Am Ende glich ihre Stimme einem heiseren Krächzen.
»Ich habe Euch nicht das Wort erteilt!« Büttenwarts Stimme war scharf. Er wandte sich zu den Zuschauerbänken um, auf denen heftig diskutiert wurde. »Ruhe, sonst lasse ich den Saal räumen!«, donnerte er, und als sich die Unruhe gelegt hatte, sagte er an Cristin gerichtet: »Setzt Euch wieder.«
Tränen des Zorns verschleierten ihren Blick. »Bitte entschuldigt.« Sie ließ sich auf den Stuhl sinken.
»Zurück zu Euch, Bremer. Beantwortet die Frage Eurer Schwägerin«, befahl
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