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Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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angegossen. Ich will dich wiedersehen«, waren seine letzten Worte gewesen, bevor er die Schänke verlassen hatte. Zwei Tage war das nun her.
    Sie wich einer breiten Pfütze aus und ging weiter. Ihre Gedanken wanderten zu dem Mann, der sie angesprochen hatte. Wer war der Fremde? Seinen Namen hatte er nicht genannt, doch seine Art sich zu bewegen, die befehlsgewohnte, raue Stimme, all das erinnerte sie an jemanden. Sie erreichte den Marktplatz. Nur ein paar junge Leute strebten dem Portal des Rathauses zu. Ein Büttel, der davor postiert war, stellte sich ihnen entgegen.
    »Der Saal ist voll«, meinte sie zu verstehen. »Da geht niemand mehr rein.« Der Mann schloss die Türen.
    Sie trat näher und gesellte sich zu der kleinen Gruppe.
    »Dann warten wir eben draußen«, schlug ein hochgewachsener Bursche mit flachsblonden, auf Kinnlänge gestutzten Haaren vor. »Bin ja gespannt, ob sie ihn diesmal drankriegen.«
    »Verlass dich drauf«, nuschelte ein anderer, dem zwei Vorderzähne fehlten. »Morgen früh legt ihm Emmerik die Schlinge um den Hals. Jede Wette.« Seine runden Augen funkelten.
    Der Blonde wiegte zweifelnd den Kopf. »Der Kerl ist schlau. Kann gut sein, dass er sich wieder herauswindet.«
    »Glaub ich nicht. Was gilt’s? Drei Witten, dass Bremer morgen vor seinen Schöpfer tritt!«
    Lynhard Bremer! Die junge Frau schnappte unwillkürlich nach Luft. Einige Herzschläge lang schien sich das Pflaster unter ihren Füßen zu bewegen.
    »Was ist mit dir? Du bist ja bleich wie der Tod!« Ein Weib mit einem Mausgesicht griff nach ihrem Arm.
    »Lasst mich, es ist nichts.«
    Rasch entfernte sie sich von der Gruppe. Lynhard Bremer! Sie hatten ihn also aus dem Turm geholt, um ihm erneut den Prozess zu machen.
    Als wäre es gestern gewesen, sah sie seine hochmütige Miene vor sich, wie er sie im Angesicht von Richteherrn, Schöffen und Zuschauern der Lüge bezichtigt und ein dummes Weibsstück genannt hatte.
    Was hatte der Mann noch mal gesagt? Morgen früh werde ihm Emmerik die Schlinge um den Hals legen. Der Henker, natürlich. Er war es, der ihr das Kleid geschenkt hatte! Seinen Namen hatte er nicht genannt, aber jetzt war sie sich sicher: Ihr unbekannter Wohltäter war Emmerik Schimpf, Lübecks Scharfrichter. Zwei- oder dreimal war sie mit anderen Neugierigen auf dem Köpfelberg gewesen, als er sein Handwerk ausgeübt hatte. Auch wenn er dort seinen Kopf vor den Opfern und Schaulustigen durch eine Kapuze verborgen hielt, war seine Gestalt in der ganzen Stadt bekannt.
    Graue Regenwolken trieben von der Trave herüber und schoben sich über die grünen, hoch aufragenden Türme von Marienkirche und Rathaus hinweg. Schon öffnete der Himmel erneut seine Schleusen, und dicke Tropfen prasselten auf das Pflaster. Sie trafen die nackten Unterarme der jungen Frau, den nur mit einem dünnen Tuch bedeckten Kopf und liefen ihr in den Nacken. Einen Fluch unterdrückend, lief sie über den Platz. Bevor sie sich in den kaum zwei Klafter breiten Eingang einer Gasse flüchten konnte, war sie bis auf die Haut durchnässt; selbst in ihren Holzpantinen hatte sich Wasser gesammelt.
    Eine schwarze Katze suchte ebenfalls Schutz vor dem plötzlichen Regenguss. Das magere Tier wandte ihr den Rücken zu.
    Sie trat mit dem Fuß nach ihm. »Verschwinde!«
    Fauchend fuhr die Katze herum. Ihr Mäulchen war blutverschmiert. Offensichtlich hatte sie das Tier beim Fressen einer jungen Ratte gestört, denn die Überreste lagen noch neben ihm.
    »Du sollst verschwinden!«, wiederholte sie drohend. Katzen brachten Unglück, das wusste jeder.
    Das Tier schlug die spitzen Zähne in seine Beute und lief mit dem Kadaver im Maul weiter in die Gasse hinein. Angeekelt drehte sie sich um. Während die junge Frau auf das Ende des Regengusses wartete, zupfte sie an dem dünnen, feuchten Leinenstoff, der an ihren vollen Brüsten klebte und mehr offenbarte als verbarg. Wenn nur niemand sie so sah. Sie musste zurück in die Gropengrove.
    Wieder wanderten ihre Gedanken zu dem Henker. Unheil verhieß es, wenn er einen nur ansah! Und sie trug ein Kleid, das er mit seinen Händen berührt hatte. Am liebsten hätte sie es sich auf der Stelle vom Leib gerissen. Emmerik Schimpf. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihn schon mal ohne Kapuze gesehen hatte. Deshalb war ihr auch nicht sofort klar gewesen, wer der Mann war, der sie angesprochen und mit in die Schänke genommen hatte. Niemals wäre sie mit ihm gegangen, wenn sie es gewusst hätte. Andererseits, auch sie hatte

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