Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
Ränkespielen hatte er Mechthild von Cristins angeblicher Schuld überzeugen können.
Doch in den Tagen vor und nach dem Prozess, in denen Elisabeth, Baldo und sie in Mechthilds Haus zu Gast gewesen waren, hatte sich das Verhältnis zu ihrer Schwägerin allmählich entspannt. Mechthild hatte ihnen mehr über die letzten Monate mit Lynhard berichtet, bevor dieser schließlich verhaftet und wegen Mädchenhandels verurteilt worden war. Der Beutel mit den zehn Goldgulden, den sie Cristin trotz deren anfänglicher Weigerung bei ihrer Abreise in die Hand gedrückt hatte, war Baldo und ihr gerade recht gekommen. Für einen Teil des Geldes hatte Baldo zwei Holsteiner Stuten und einen Pferdewagen gekauft, auf dem sie und ihr Mann mit Elisabeth und Minna die Stadt verlassen hatten. Seit ihrer Abreise aus Lübeck hatten die beiden Frauen nichts mehr voneinander gehört.
Cristin griff nach Mechthilds Arm und zog sie in den Flur. »Komm herein, Schwägerin.«
Diese wandte sich um und wies auf einen kleinen Pferdewagen, der im Halbdunkel vor dem Haus stand. »Lass mich zuerst den Mann entlohnen, der mich hergefahren hat«, sagte sie und griff nach der Geldkatze, die sie gemeinsam mit einem Parfümdöschen und einem Rosenkranz am Gürtel trug.
»Das kann Minna erledigen«, erwiderte Cristin und wandte sich an die Lohnfrau. »Und bring dem Kutscher und seinem Pferd etwas zu trinken hinaus«, fügte sie noch hinzu.
Minna nickte, nahm das dargebotene Geld entgegen und eilte hinaus. Cristin öffnete die Tür zur Küche und wies auf die gepolsterte Sitzbank. Ihre Schwägerin nahm Platz und entledigte sich der kegelförmigen Leinenkappe.
»Was führt dich zu uns?«, wollte Cristin wissen, während sie Mechthild und sich selbst einen Becher Würzwein eingoss.
»Lynhard wird erneut vor Gericht gestellt.«
Cristin hob die Brauen.
»Richteherr Büttenwart wird den Prozess gegen Lynhard neu aufrollen«, fuhr Mechthild fort. »Der Vogt war bei mir und berichtete, es gebe jemanden, der bezeugen könne, dass Lynhard deinen Mann umgebracht hat!«
Cristin saß da wie vom Donner gerührt. »Was sagst du da? Du meinst, es gibt …«
»… einen Zeugen, ja!«
Cristin stellte ihren Becher beiseite. »Wer ist es?«
»Das werden wir erst bei der Verhandlung erfahren.« Ihr Gast trank einen Schluck. In ihrem Gesicht zuckte es wie unter einem unterdrückten Schmerz. Eine tiefe Falte hatte sich um ihre Mundwinkel gegraben. »Wirst du nach Lübeck kommen?«
Cristin nickte. Selbstverständlich würde sie zum Prozess erscheinen. Sie musste! Obwohl sich alles in ihr weigerte, die mühsam aus ihrem Gedächtnis verdrängten Ereignisse durch eine weitere Verhandlung erneut aufzuwühlen. Doch wenn ihr Schwager sich für den Mord an Lukas verantworten musste, wollte sie dabei sein.
»Wann findet die Verhandlung statt?«
»Übermorgen.«
Cristin legte eine Hand auf ihr wild schlagendes Herz. »So bald schon? Dann sei solange unser Gast und reise mit Baldo und mir gemeinsam nach Lübeck zurück«, schlug sie vor. »Oder hast du niemanden für deine Kinder?«
»Ich habe kürzlich eine Frau eingestellt. Sie wohnt in meinem Haus und gibt auf die Kinder acht.« Mechthild strich ihr über die Hand. »So klein wie deine Tochter sind sie ja nicht mehr. Wie geht es Elisabeth überhaupt?«
Cristin lächelte. »Möchtest du sie sehen? Sie schläft zwar schon, aber wenn wir ganz leise sind …«
»Furchtbar gern.«
»Dann komm mit mir nach oben.«
Vorsichtig öffnete Cristin die Tür des kleinen Raumes, in dem ihre Tochter friedlich in ihrem Bett schlummerte.
»Groß ist sie geworden«, flüsterte Mechthild, während die beiden Frauen einige Momente lang das kleine Mädchen betrachteten. Von unten waren Geräusche und Stimmen zu hören.
»Gott zum Gruße, Minna. Wo steckt mein holdes Eheweib?«
Rasch traten die beiden Frauen zurück in den Flur, und Cristin zog hinter Mechthild die Tür zu Elisabeths Kammer ins Schloss.
»Hier oben, mein Lieber«, erwiderte Cristin, während sie die Treppe hinunterlief. Baldo stand vor der ersten Stufe und blickte zu ihr empor.
»Sieh nur, wer uns besucht, Baldo!«, rief sie.
Er legte den Kopf in den Nacken und kniff die Augen zusammen. »Das ist doch …«
»Mechthild, ja.« Cristin stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss. »Aber nun komm erst mal in die Küche und setz dich.«
Baldo folgte den beiden Frauen. Die drei versammelten sich um den Eichentisch in der Küche und tauschten die Neuigkeiten
Weitere Kostenlose Bücher