Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
Wurst und einem Schlauch mit verdünntem Wein als Wegzehrung für die nächsten drei, vier Tage, sowie der Hoffnung, dass das Schicksal es gut mit ihnen meinen möge. Auf dem zweirädrigen Karren war kaum Platz für mehr als das junge Paar, ein kleines Zelt und den Leinenbeutel, in dem Piet sein Narrenkostüm aufbewahrte.
Als das kleine Gefährt das Ende der Gasse erreicht hatte, wandte sich Marianka ein letztes Mal um. Ihre Eltern und Geschwister standen vor der Tür des Hauses, in dem sie einst geboren worden war. In ihren Augen sah Piet Tränen schimmern. Kurz war er versucht, den Karren zu wenden, doch dann hob auch er die Hand zu einem letzten Gruß. Den anderen Arm legte er Marianka um die bebenden Schultern undzog sie an sich.
»Wir werden sie so bald wie möglich besuchen«, versprach er.
Dabei ahnte er, dass eine lange Zeit vergehen würde, bis sie nach Krakow zurückkehren würden. Dann schnalzte er mit der Zunge, und der Esel setzte sich wieder in Bewegung.
29
Lübeck
D er Scharfrichter und seine neue Gefährtin aßen in der Küche.
»Warum willst du das wissen?« Emmerik legte den fingerdicken Strick, den er auf seine Festigkeit überprüft hatte, auf den Küchentisch und drehte sich zu Mirke um.
Sie stand an der aus kleinen Ziegelsteinen ummauerten Feuerstelle und rührte mit einem Holzlöffel in einem darüber hängenden Kessel mit Haferbrei, den es zum Mittagessen geben sollte. Gerade hatte sie den Henker beiläufig gefragt, ob er wisse, wo Cristin Bremer und Baldo inzwischen lebten.
Er maß sie eindringlich. »Was gehen dich die beiden an?«
Mirke zog einen Flunsch, wohl wissend, wie sehr es ihm gefiel, wenn sie sich ein wenig unbedarft gab. »Man wird doch wohl mal fragen dürfen. Musst deshalb nicht gleich böse werden.«
Sie trat hinter ihn, fuhr mit den Fingern seinen kräftigen Nacken hinauf bis zum Haaransatz, strich wieder hinunter bis zu den Schultern und massierte sie.
»Du wirkst so angespannt.«
Er fuhr herum, packte sie am Arm und zog sie auf seinen Schoß. Schon schoben sich seine Hände unter ihr Kleid, wanderten über die gespreizten Schenkel, verweilten kurz auf den wohlgeformten Hüften und umfassten dann ihre Backen. Als sie sich bewegte, fühlte sie durch den Stoff seiner Hose sein Geschlecht hart werden.
»Weißt du eigentlich, wie sehr du mich erregst?«, hörte sie ihn stöhnen, doch sie entwand sich ihm.
»Die Bremer ist mit deinem Sohn weggegangen, damals nach dem ersten Prozess gegen ihren Schwager.«
»Ich weiß.«
»Es heißt, die beiden sind verheiratet.«
Er zog die Hände unter ihrem Kleid hervor. »Wer sagt das?«
»Ein paar Leute, die vor dem Rathaus standen, am Tag von Lynhard Bremers Blutgericht.«
»Und wenn schon. Soll er doch glücklich werden mit der Frau.«
»Er hat dir bei der Hinrichtung von Lynhard Bremer geholfen, nicht wahr?«
Ein Schatten huschte über Emmeriks kantige Züge. »Du warst auf dem Köpfelberg?«
»Ich wollte das Schwein sterben sehen.«
Sein Mund verzog sich spöttisch. »Solch hässliche Gedanken in so einem hübschen Köpfchen? Denk jetzt nicht an diesen Kerl. Lass uns lieber in die Kammer gehen.«
»Ich hasse diese Bremers, allesamt! Sollen sie doch verrecken und im Höllenfeuer schmoren!«
»Dass du den Pelzhändler hängen sehen wolltest, verstehe ich. Aber warum Cristin Bremer?«
Inzwischen kannte er Mirkes wirklichen Namen ebenso wie ihre Geschichte. Deshalb musste sie sich nicht mehr zurückhalten.
»Das Weib hat erst dafür gesorgt, dass ich vor Gericht erscheinen musste.« Mirke sprang auf die Füße und spie auf die Feuerstelle. »Dieses hochnäsige Gesicht hättest du sehen müssen! Sie hat sich ja schon immer für etwas Besseres gehalten, die feine Dame! Pah!« Sie fuchtelte mit den Händen in der Luft und schluckte die Tränen hinunter, die sich ihr aufdrängten. »Ich hab gar nichts von dem Gift gewusst! Als hätte ich je vorgehabt, den Herrn, der immer gut zu mir gewesen war, umzubringen! Und hätte die Bremer vor Gericht nicht meine Liebschaft mit ihrem Schwager herausposaunt, wäre mir erspart geblieben, was ich durchmachen musste!«
»Erzähl mir davon«, forderte er sie mit ungewohnt weicher Stimme auf.
Sie schüttelte den Kopf und wandte sich ab. Nicht noch einmal wollte sie die Erinnerungen heraufbeschwören, zu schmerzlich, zu erniedrigend waren sie. Aber sie waren längst wieder da, diese Bilder, die sie seit Langem heimsuchten und nicht verblassen wollten, obwohl seit jenen schrecklichen
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