Das Gold der Lagune: Historischer Roman (German Edition)
dieses Loblied auf Jadwiga gesungen habe. Konnte doch nicht ahnen, dass die Geier des Königs mich beobachten.«
Sie senkte den Kopf.
»Ich werde notgedrungen auf Reisen gehen müssen, um uns durchzubringen«, fuhr Piet fort. »So wie früher. Oder willst du mich etwa begleiten?«
Marianka schwieg, aber dann ergriff sie seine Hände.
»Wenn es sein muss … Ja, du Narr!«
»Das kann und will ich dir nicht zumuten.«
»Ach nein?« Ihre Brauen schossen in die Höhe. »Aber mich hier monatelang warten lassen, bis du für einige Nächte heimkommst, bevor du wieder verschwindest, um andere Leute zum Lachen zu bringen – das willst du mir zumuten, ja?«
Er fasste ihr an die Schulter und senkte die Stimme.
»Du weißt nicht, wie hart das Leben auf der Straße ist.«
»Du bist wirklich ein Narr, Piet Kerklich. Ich habe dich nicht geheiratet, um dich gleich wieder zu verlieren.«
»Du verlierst mich ja nicht«, gab er lahm zurück.
Sie verschränkte die schlanken Arme vor der Brust. »Jedenfalls müssen wir sofort mit meinen Eltern über alles sprechen.«
»Worüber wollt ihr zwei mit uns reden?«, erscholl Konstantys tiefe Stimme hinter ihnen. Der kräftige Mann beäugte sie mit gefurchter Stirn.
» Ojciec !« Marianka löste sich von Piet und trat auf ihren Vater zu. »Piet darf nicht mehr im Wawel auftreten und auch nicht auf den Marktplätzen der Stadt!«
Konstantys Miene verfinsterte sich. »Von wem kommt dieser unsinnige Befehl?«
»Von eurem König höchstselbst«, antwortete Piet, »diesem verdammten …« Er grub die Zähne in die Unterlippe und starrte vor sich hin, bis Marianka ihm die Hand auf den Arm legte.
Mit kurzen Worten erklärte sie ihrem Vater die Situation. Konstanty schwieg, nachdem sie geendet hatte. In seinem Gesicht zeichneten sich Furchen ab, welche die Jahre auf ihm hinterlassen hatten.
»Steht es uns zu, die Befehle unseres Königs zu kritisieren?« Er wandte sich an Piet. »Nun, wie siehst du das?«
Piet wich dem Blick des Älteren aus. »Natürlich nicht.«
Mariankas Vater klopfte ihm auf den Rücken. »Was das polnische Volk von den Entscheidungen seines Regenten hält, mein lieber Piet«, er lachte bitter auf, »ist für den derzeitigen Herrscher des Wawel nicht von Bedeutung, besonders seit unsere geliebte Königin tot ist.« Eindringlich maß er seinen Schwiegersohn. »Ich schlage vor, wir gehen ein paar Schritte und unterhalten uns. Allein.«
Konstanty wartete Piets Antwort gar nicht erst ab, sondern schritt gemessenen Schrittes aus der Küche. Durchs Fenster verfolgte Piet, wie sein Schwiegervater seinen mit Quendelkraut gefüllten Lederbeutel und die helle tönerne Pfeife hervorholte und sie stopfte. Marianka nahm das schmale Gesicht ihres Ehemannes in beide Hände und hauchte einen Kuss auf seine Lippen. »Geh. Vater mag es nicht, wenn man ihn warten lässt.«
Piet betrat den Innenhof, von dem es in den Garten ging. Marianka hockte vor einem der Kohlbeete und blickte zu ihm auf.
»Was hat Ojciec von dir gewollt?«
»Was glaubst du denn? An meine Pflichten, anständig für dich zu sorgen, hat er mich erinnert.« Piet schnaubte, doch der Ton klang eher heiser in seinen Ohren.
Marianka erhob sich. Ihre Finger waren erdverkrustet. »Trag es ihm nicht nach, er sorgt sich eben um uns.«
Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und schaute zu dem kleinen Haus hinüber,dessen Mauern sich hinter den beiden alten Apfelbäumen erhoben. Einen Moment lang stand ihm wieder die Vision von letztem Frühling vor Augen, die Bilder von Tod und Verfall, die blütenlosen Äste, der leblose Vogel. Dann schüttelte er sie ab. Erneut heftete er den Blick auf die Mauern des Hauses, das hier entstehen sollte. Den kommenden Winter hatten sie schon hier verbringen wollen.
»Konstanty ist ein guter Mann. Ich verstehe ihnja.« Er blinzelte zu seiner Frau hinüber. »Wir können bei deinen Eltern bleiben, solange wir möchten, Liebes.«
»Aber du möchtest es nicht, habe ich recht?«
»Nein! Nicht länger als nötig.«
Als Marianka die Arme um ihn schlang, vergrub er die Finger in ihren blonden Haaren.
»Vielleicht gibt Ojciec uns ja den Eselkarren«, sagte Marianka schließlich. »Wir werden ihn nach dem Abendessen fragen.«
»Du willst also wirklich mit mir kommen?«
»Ein Weib gehört zu seinem Mann«, antwortete sie mit fester Stimme. »In guten wie in schlechten Tagen.«
Eine Woche später brachen sie auf, mit nichts als drei Silbergulden im Beutel, etwas Brot, geräucherter
Weitere Kostenlose Bücher