Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
eher klein.
»Mein Tisch ist jedenfalls reich gedeckt!«, gab Trevallion zurück. »Auch mit Kuchen, kleine Kathleen, falls du dir also einen Mann wünscht, der dir etwas bieten kann …«
Kathleen errötete zutiefst. Aber nein, der Kerl konnte nichts von den Teekuchen wissen, die Löcher in die Taschen ihres Kleides zu brennen schienen! Sie durfte sich nur nicht schuldbewusst zeigen! Tugendhaft schlug sie die Augen nieder. Kathleen antwortetegrundsätzlich nicht, wenn Trevallion sie ansprach, erst recht nicht, wenn er solch ungehörige Anspielungen machte. Zu oft hörte man von Mädchen, die dem Laster in den Armen der Verwalter ihrer Herren verfielen – wobei Kathleen sich nicht vorstellen konnte, dass es sich hier um die Sünde der Wollust handelte.
Trevallion hatte eigentlich nichts an sich, was ein Mädchen reizen konnte. Er war klein, drahtig und rothaarig wie ein Leprechaun, aber ihm fehlte der Witz der mythischen Waldschrate, denen die etwas begüterteren Iren Häuser in ihren Gärten bauten, um sich ihrer Hilfe bei der Landarbeit – und mehr noch beim Whiskeybrennen – zu versichern. Finsterster Aberglaube natürlich, wie Father O’Brien erklärte, bevor er den jüngsten Kindern im Unterricht das nächste Märchen über die frechen, grün gewandeten Gesellen erzählte.
Über Trevallion gab es nichts derart Komisches zu berichten. Er war vollkommen unterwürfig gegenüber der englischen Herrschaft und hart und boshaft gegenüber deren Pächtern. Selbst wenn der Lord und die Lady gar nicht auf ihren Besitztümern in Irland weilten, was die meiste Zeit des Jahres betraf, ließ er nicht, wie andere Verwalter, fünfe gerade sein. Besonders in Zeiten wie diesen schauten sie schon mal weg, wenn die Männer auf Jagd gingen oder ein Teil des Obstes und Gemüses aus den Gärten der Herrschaft in den Töpfen der Pächterfrauen landete. Trevallion kämpfte um jede Karotte, jeden Apfel und jede Bohne vom Land seines Herrn, der eigentlich nur zur Ernte und zur Jagdsaison erschien. Die Menschen hassten ihn, und wenn sich ein Mädchen einem Mann wie ihm hingab, so geschah es sicher nicht aus Liebe, sondern nur aus Not.
»Oder hast du gar einen Galan hier auf den Feldern?«, fragte Trevallion jetzt mit tückischem Blinzeln. »Gibt es da etwas, das ich wissen müsste als Ohr und Auge des Herrn?«
Hochzeiten mussten vom Landlord genehmigt werden, und der hörte natürlich gern auf die Einflüsterungen Trevallions.
Kathleen würdigte auch diese Fragen keiner Antwort.
»Nun, ich denke, ich werde demnächst mal ein Wörtchen reden mit O’Donnell, dem Schneider …«, bemerkte Trevallion noch, bevor er Kathleen endlich gehen ließ. Sie sah aus den Augenwinkeln, wie er sich die Lippen leckte.
Kathleens Herz klopfte heftig. Der Kerl wollte nicht wirklich um sie werben? Ihr Vater sprach immer wieder von einer »guten Partie«, mit der Kathleen dank ihrer Schönheit ihr Glück machen würde, solange sie nur brav und tugendhaft auf den richtigen Mann wartete. Aber damit war doch nicht Trevallion gemeint? Bevor sie diesen Widerling heiraten würde, nähme sie den Schleier!
Kathleen blieb mit gesenktem Kopf am Wegrand stehen und ließ den Erntewagen und die Männer vorbei. Sie wusste, dass Michael sich bald unauffällig absetzen würde, und ging weiter, bis sie Schutz hinter den Steinmauern fand, die das frisch abgeerntete Feld einfassten. Das Mädchen begann, das Land auf vergessene Ähren abzusuchen.
Wie erwartet wurde Kathleen nicht fündig – Trevallion war gründlich. Sie verspürte glühende Wut auf den bösartigen kleinen Mann, als sie jetzt die ersten hungrigen Kinder vom Dorf zu den Feldern hinaufkommen sah. Alle würden versuchen, hier noch letzte Reste von Weizen zu finden, und alle würden enttäuscht werden.
In diesem Moment lachte Kathleen jedoch das Glück. Michael näherte sich, scheinbar ziellos schlendernd, dem Stoppelfeld. Er sah natürlich die Kinder und Frauen, weshalb er so tat, als bemerke er Kathleen nicht. Stattdessen winkte er ihr nur unmerklich zu, ihm zu folgen. Kathleen tat es unauffällig, sie wusste ohnehin, wohin er sie führte.
Ihr Schlupfwinkel war eine winzige Bucht, unterhalb der Siedlung bei den Feldern am Fluss. Hier stand hoch das Schilf am Ufer, und eine mächtige Weide ließ ihre Äste ins Wasser hängen. Sie schützten den kleinen Strand vor neugierigen Blicken vom Wasser aus, wie das Schilf die Verliebten von Land aus versteckte. Kathleen wusste, dass es Sünde war, sich hier
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