Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
tägliche »Schau« war fast die einzige Abwechslung. Insofern kamen Michael und die anderen erneut mit nasser Kleidung zurück in ihre Verschläge. Niemand wunderte sich ernstlich, als die Cholera ausbrach.
Lizzie war entsetzt, als die ersten Menschen starben. Das junge Mädchen aus ihrem Verschlag raffte es sofort dahin – trotz Mrs. Portlands Pflege und trotz des zusätzlichen Essens, das alle sechs Frauen in ihrem Abteil Lizzies Beziehung zu Jeremiah verdankten. Sie teilte seine Geschenke freigebig auf und ärgerte sich, dass Candy es nicht immer so hielt, wenn sie beim Deckgang mit einem der Matrosen in irgendwelche Ecken verschwand.
Das Verbot, die Männer auch nur anzusehen, war natürlich nicht einzuhalten. Sehr bald entwickelte sich ein reger Handel zwischen den leichten Mädchen im Zwischendeck und den wollüstigen Matrosen und Soldaten. Candy war begehrt und hatte ihren Liebsten daheim schon bald vergessen. Bei Letzterem half ihr vor allem der Gin. Während sie Lebensmittel brav in die gemeinschaftliche Haushaltung abgab, behielt sie den Schnaps gern für sich.
»Die haben’s jetzt hinter sich«, seufzte Mrs. Portland, als die Körper der Verstorbenen nach einer kurzen, vom Kapitän gehaltenen Zeremonie dem Meer übergeben wurden – einem hinreißend schönen blauen Meer, in dem sich Delfine tummelten –, aber oftauch eine Haifischflosse die Wogen zerschnitt, deren Besitzer auf Beute hoffte. »Wer weiß, was uns anderen noch bevorsteht!«, fügte sie hinzu.
Mrs. Portland wurde Lizzie gegenüber zusehends aufgeschlossener, sie nahm ihr die Beziehung zu Jeremiah nicht mehr übel. Im Gegenteil, oft hieß sie das Mädchen, sie zu begleiten, wenn sie andere Verschläge besuchte, um Kranke zu pflegen. Lizzie war gern bereit zu helfen, und Mrs. Portland wies sie geduldig in die wichtigsten Verrichtungen ein.
»Wo haben Sie das gelernt?«, fragte Lizzie irgendwann schüchtern.
Bislang hatte Mrs. Portland sich nie zu ihrer Vergangenheit geäußert, aber jetzt gab sie doch Auskunft. »Hab im Armenspital geholfen«, erklärte sie. »Aus Dankbarkeit. Sie haben mich da oft genug kostenlos zusammengeflickt, und ich mag nichts annehmen, ohne was wiederzugeben. Sie brauchen da auch jede Hand. Grade bei den Frauen … ist nicht schön, von ’nem anderen Kerl angelangt und verbunden zu werden, wenn einen der eigene gerade grün und blau geschlagen hat.«
Mehr sagte sie nicht, aber Lizzie dachte sich ihren Teil. Mrs. Portland war verheiratet gewesen – und ihr Mann hatte sie geschlagen. Ob sie ihn verlassen hatte und dabei auf die schiefe Bahn geraten war?
»Oh, nein, Kindchen, die hat ihn umgebracht!«
Es war eine ihrer Patientinnen, die Lizzie schließlich aufklärte. Emma Brewster, eine ältliche Prostituierte, die schließlich angefangen hatte, ihre Freier zu bestehlen, um leben zu können, litt unter heftigen Schmerzen und Wasseransammlungen in den Beinen. Mrs. Portland behandelte sie mit kühlenden Umschlägen und Einreibungen mit Gin. Eine solche Behandlung ließ Lizzie der Frau gerade zugutekommen, als das Thema auf Mrs. Portland und ihre Verfehlungen kam. Das Mädchen hätte die Ginflasche fast fallen lassen.
»Sie hat … Mrs. Portland? Eine Gattenmörderin?«
Emma Brewster nickte. »Ganz sicher, Kleine, ich war in der Verhandlung. Du weißt doch, sie urteilen uns in Gruppen ab, und Anna Portland war direkt nach mir dran. Sie hat sich nicht sehr geschickt angestellt, was die Verteidigung anging. Hat keinen Anflug von Reue gezeigt. Der Kerl hat sie immer wieder verprügelt, hat sie gesagt. Aber das hat sie hingenommen, weil sie ihm ein gutes Weib sein wollte und gottgefällig und was weiß ich nicht alles. Bis er sich an ihre Tochter ranmachte. Die war dreizehn. Er hat sie niedergeschlagen und war schon mit offener Hose über ihr, als Anna nach Hause kam. Da hat sie ihn mit dem Schürhaken erschlagen. Kräftig genug ist sie ja … Und sie bereut’s nicht, hat sie gesagt, sie würd’s immer wieder tun. Und wenn’s Gott nicht gefällt, meinte sie, dann könnte sie das auch nicht ändern, dann hätt sie wohl mehr mit dem Teufel gemeinsam.«
Lizzie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. »Wurde sie dann nicht zum Tode verurteilt?«, fragte sie.
Ihre Patientin nickte. »Klar, aber begnadigt. Bei den Weibern begnadigen sie doch fast alle.«
»Aber … aber die Mörderinnen … die sind doch alle im untersten Deck …« Lizzie konnte es immer noch nicht glauben.
Emma Brewster verdrehte die
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