Das Gold der Maori - Das Gold der Maori
so was hab ich zeitlebens einen Bogen gemacht«, bemerkte sie. »Aber was soll’s, andere Zeiten, andere Sitten …« Sie sah Lizzie an, nahm dann aber die Flasche und trank einen Schluck. Hustend rang sie nach Luft.
»Ich mach das auch nicht zum Spaß!« Lizzie meinte, sich verteidigen zu müssen. Diese Frau, das sagte ihr der Instinkt, war gut und hatte gottgefällig gelebt. Lizzie hätte zu gern gewusst, wie sie trotzdem auf das Schiff gekommen war. »Haben wir noch Wasser?«, fragte sie dann.
Das Trinkwasser wurde den Verschlägen täglich in Krügen zugeteilt, wobei es kaum ausreichte. Immer wieder kam es darüber zu hässlichen Szenen, in manchen Verschlägen waren die Frauen völlig zerstritten. Sie neideten einander jeden Schluck Wasser und jeden Bissen Brot.
Mrs. Portland nickte, und Lizzie löste etwas Mehl in dem Wasser auf, wie Jeremiah geraten hatte. Sie flößte es Candy ein, die allerdings lieber erneut nach der Ginflasche griff. Mrs. Portlands Zögling dagegen trank und behielt das Gemisch auch bei sich.
Am nächsten Tag öffneten die Wärter tatsächlich die Außenluken für alle im Zwischendeck gefangenen Frauen!
»In Gruppen zu vierundzwanzig antreten!«, rief der Lieutenant, der Jeremiah und die anderen Wärter befehligte. »Beschränkt euch auf das abgetrennte Deckstück und bewegt euch. Rumlungern wird nicht geduldet, Kontakt mit den Passagieren wird nicht geduldet, Matrosen und Wachpersonal sind nicht anzusprechen!«
Lizzie stützte Candy, und Mrs. Portland schleppte das kranke Mädchen an Deck. Dann bewegten sie sich. Die Frauen kamen sich ein bisschen vor wie zur Schau gestellte Wildtiere auf demJahrmarkt, schließlich hatten sie reichlich Zuschauer. Die Matrosen gönnten sich lüsterne Blicke; die Passagiere versammelten sich vor ihren Unterkünften und starrten die Gefangenen an wie Tiere im Zoo. Die meisten waren in mittleren Jahren, Pensionäre, die ihren Militär- oder Polizeidienst abgeleistet hatten und nun die großzügigen Landzuteilungen in Australien nutzten. In England langte ihre Pension kaum zum Leben, aber in Botany Bay oder Van-Diemens-Land würden sie reich sein. Hauspersonal war schließlich auch reichlich vorhanden – die Frauen der zukünftigen Siedler würden unter Lizzie und ihren Leidensgefährtinnen wählen können.
Der Ausgang weckte die Lebensgeister der Häftlinge, aber es gab ein Problem. Es regnete fortwährend, und die Laderäume waren nicht dicht. Die Kleider der Gefangenen waren klamm, sie trockneten nicht in der Frühjahrskälte auf dem Atlantik. Immerhin stand das Wasser, das bei schwerem Seegang obendrein das Deck überschwemmte, nicht auf dem Zwischendeck. Es sickerte durch ins Unterdeck und sammelte sich dort. Teilweise stand es kniehoch und stank.
Die Männer und Frauen, die dort untergebracht waren, rollten sich freiwillig den ganzen Tag in ihren Pritschen zusammen, obwohl man ihnen die Ketten jetzt stundenweise abnahm. Auch sie wurden nun täglich nach draußen gebracht, aber die Männer blieben dabei schwer gefesselt. Viel Bewegung war ihnen kaum möglich, sie wurden nur nass vom Regen und zitterten vor Kälte. Inzwischen gab es die ersten Fälle von Fieber und Durchfall. Auch Michael dämmerte oft stundenlang im Halbschlaf dahin – seine Wunden hatten sich entzündet und schmerzten. Aber so schlimm, dass er all seine Kraft verlor, war es noch nicht. Er zwang sich zu essen, und bislang behielt er die Nahrung auch bei sich. Michael litt am meisten unter der Kälte und Nässe.
»Irgendwann wird es wärmer«, tröstete der Matrose von nebenan, während er zitterte und hustete. »Wenn der Golf von Biscaya erst erreicht ist …«
Wie schon einmal behielt der Mann Recht, aber die Wärmeund dann die Hitze im Indischen Ozean verbesserten die Lage der Häftlinge nicht. Die Frauen der oberen Decks freuten sich über das Trocknen ihrer Kleider, Michael und die anderen schwerst bewachten Männer lagen jedoch unter der Wasserlinie. Hier blieb es feucht, und die Wärme begünstigte Fäulnis. Dazu nahm das Ungeziefer überhand. Michael hatte das Gefühl, von den Flöhen und Läusen bei lebendigem Leib gefressen zu werden.
Die Männer versuchten, der Plage und dem Juckreiz ein bisschen Herr zu werden, indem sie einander beim Gang an Deck mit Meerwasser abspritzten. Allerdings erlaubten die Wärter ihnen nicht, sich zu entkleiden. Die Passagiere sahen immer noch gern zu, wenn die Häftlinge ausgeführt wurden. Sie litten unter gähnender Langeweile, die
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