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Das Gold des Columbus

Das Gold des Columbus

Titel: Das Gold des Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa-Maria Zimmermann
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ohne Grund einen schlechten Ruf. Das Meer ist der Mantel der Sünder und die Zuflucht der Missetäter. Ich halte es durchaus für möglich, dass ein Mörder an Bord ist. Aber du kannst nichts beweisen. Du kannst nur die Augen offen halten und dich vorsehen.«
    Einige Zeit lang war Pablo diesem Rat gefolgt. Doch der Dauerregen hatte seine Wachsamkeit zermürbt. Allmählich war er zu müde, um überhaupt noch an den Zwischenfall zu denken. Nur im Schlaf verfolgte ihn die Erinnerung manchmal noch.
    Pablo fuhr mit einem Schrei in die Höhe. Da war es wieder: Er hatte von dem Sturz in die Bucht von Azua geträumt, von den wirbelnden, erstickenden Wellen und der Todesangst des Ertrinkens. Im Traum war er auf den Grund des Meeres gesunken, und die Fische hatten begonnen, das Fleisch von seinen Knochen zu nagen. Sie hatten an den Zehen und Fingern angefangen.
    Er schlug um sich und hörte, wie die Ratten davonstoben. Von oben ertönte Fernans Stimme:
    »Verleih uns die aus Gütigkeit,
    O Heilige Dreifaltigkeit,
    Kyrieeleison.«
    Pablo rieb sich die Augen. Er hatte vier Stunden an einem Stück geschlafen, obwohl er das Gefühl hatte, dass es nur wenige Minuten gewesen waren. Er fühlte sich so zerschlagen wie nach dem Hurrikan. Mühsam kam er auf die Füße und schwankte an Deck. Er war für die nächste Wache eingeteilt. Seit zwei, drei Wochen gab es so viele Kranke an Bord, dass die noch leidlich Gesunden nur eine Wache lang Pause hatten.
    Im Tageslicht untersuchte er seine Hände und Füße. Da waren tatsächlich Kratz- und Bissspuren. Diese vermaledeiten Biester! Das nächste Mal würde er Diablo mitnehmen. Er würde einfach sagen, dass man damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen könnte. Der Hund bekam frisches Fleisch, und es gab dadurch weniger Ratten, die die Vorräte vernichteten.
    Pablo warf einen scheuen Blick nach oben aufs Vorderschiff. Da hatte sich der Herr Admiral ein Bett aufstellen lassen, unter einem Verschlag, den der Schiffszimmermann aus ein paar Planken gefertigt hatte, und bestimmte den Kurs des Schiffes. Zu Beginn der Reise hatte man seine laute, klangvolle Stimme auf allen Decks hören können. Wenn er damals eine Predigt in der riesigen Kathedrale von Sevilla gehalten hätte, so hätte man ihn bestimmt noch im hintersten Winkel verstehen können. Aber jetzt war der Admiral zu krank, um seine Stimme zu erheben. Der Pilot war immer an seiner Seite und gab seine Befehle weiter.
    Wie hält er das nur aus?, fragte sich Pablo. Wann schläft er eigentlich? Und wieso sieht er besser und weiter und mehr als alle anderen an Bord, obwohl er so krank ist? Sie fuhren seit Wochen an einer Küste entlang, die manchmal aus den Regenschleiern auftauchte, aber der Sturm trieb sie immer wieder vom Land weg. Pablo dachte an den Bericht von Carlos Alonso über den Untergang der Santa María, wie der Herr Admiral da Riffe und Untiefen gewittert hatte, die kein Mensch außer ihm bemerkt hatte. Ob es vielleicht doch stimmte, was der Bordschütze Pedro de Ledesmo nach dem Hurrikan behauptet hatte: dass der Admiral mit dem Teufel im Bunde stünde oder zumindest zaubern könnte?
    Wie sonst war es zu erklären, dass die Capitana diesen fürchterlichen Sturm überstanden hatte, ohne einen einzigen Strohhalm zu verlieren, wie angeschmiedet an die Ankerketten in der leidlich sicheren Bucht, während die drei anderen Schiffe losgerissen und aufs offene Meer hinausgetrieben worden waren? Vor allem die Santiago de Palos hatte viel Ladung und ein Beiboot verloren. Erst nach mehreren Tagen war sie wieder in die Bucht zurückgeschlichen, wo die zwei anderen schon eingetroffen waren, auch ziemlich beschädigt, aber nicht so schlimm wie die Santiago.
    Ein Brecher fegte über das Deck und schleuderte Pablo gegen den Mast. Er ging zu Boden und stöhnte vor Schmerzen. Mein Kopf! Meine Rippen!, dachte er. Die sind bestimmt gebrochen.
    Etwas Warmes lief über sein Gesicht. Er fasste danach und betrachtete seine Finger. Das war Blut.
    Ein Tritt in die Seite ließ ihn aufschreien.
    »Wieso liegst du hier auf der faulen Haut, Eselsschiss? Mach, dass du an die Ampolleta kommst, und zwar ein bisschen plötzlich!«
    Pablo brachte es trotz der Schmerzen fertig, sich zur Seite zu rollen. Der nächste Tritt traf nicht ihn, sondern den Mast.
    Pedro de Ledesmo ächzte. »Na, warte, Eselsschiss, das wirst du mir büßen.«
    »Aus dem Weg, Pedro!« Das war Diego Méndez. Wie ein Schutzengel tauchte er immer auf, wenn der Bordschütze sich an Pablo

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