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Das Gold des Columbus

Das Gold des Columbus

Titel: Das Gold des Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa-Maria Zimmermann
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nicht.« Pablo kam langsam in die Höhe und lehnte sich gegen die Wand. »Wenn ich in der Bucht von Azua ertrunken wäre, dann müsste ich diese Plackerei jetzt nicht mehr mitmachen.«
    »Pablo, um Himmels willen, versündige dich nicht! Wie kannst du nur so etwas sagen? Bald scheint die Sonne wieder und dann landen wir in Indien. Wir fahren über Gewässer, die noch nie ein Mensch befahren hat, stell dir das bloß vor! Dafür muss man schon ein bisschen was in Kauf nehmen.«
    »Ach was! Wir sind gar nicht die Ersten!«, sagte Pablo störrisch. »Ich möchte wetten, dass es hier jede Menge Kanus mit Eingeborenen gibt. Wie bei den anderen Inseln auch, wo wir schon gewesen sind.«
    »Aber das ist doch nicht dasselbe! Wie kannst du das vergleichen? Sie bringen ihre Ananas oder Nüsse oder wer weiß was für primitives Zeug von einer Insel zur anderen. Aber wir suchen den Seeweg nach Indien.«
    »Worin liegt der Unterschied? Sie wollen handeln. Wir auch.«
    »Aber du kannst uns doch nicht mit den Eingeborenen vergleichen. Du hast sie doch gesehen. Sie sind nackt. Und sie haben keine Religion!« Fernan klang schockiert. »Wir bereiten den Weg für die spanische Krone und das Christentum.«
    »Schon gut.« Pablo bückte sich nach dem Marssegel. »Ich wünschte bloß, der Weg wäre etwas trockener.«
    Am Abend wurden Sturm und Regen schwächer, hörten aber nicht auf. Pablo war für die Hundewache 54 eingeteilt und kauerte apathisch neben der Ampolleta . Eine Sturmlaterne beleuchtete schwach den rieselnden Sand. Er fuhr zusammen, als eine mächtige Gestalt schwankend näher kam und sich stöhnend neben ihm niederließ. Die schaukelnde Flamme streifte einen krausen schwarzen Bart und goldene Ohrringe unter einer roten Mütze. Pablo sprang auf.
    »Nein, lauf nicht weg!« Pedros Stimme klang so, als ob er Mühe hätte zu sprechen. »Ich tu dir nichts! Ich muss mit dir reden!«
    Pablo setzte sich zögernd wieder hin. Im schwachen Licht sah das Gesicht des Bordschützen immer noch leichenhaft blass und eingefallen aus.
    »Der Arzt sagt, es könnte zu Ende gehen mit mir. Mein Herz ist krank, sagt er. Na ja, einen alten Seemann kannst du mit der Laterne suchen. Wer sich nicht zu Tode schuftet, den schluckt das Meer.« Seine Stimme klang heiser, wie geborsten. »Es gibt drei Sorten von Menschen, weißt du das? Die Lebenden. Die Toten. Und die Seeleute. Die gehören zu beiden und zu keinen von beiden. Die sind immer dazwischen. Mit einem Bein im Leben und mit dem anderen im Grab. So sagt man. Dabei kriegen wir gar kein Grab, sondern bloß einen Sack. Der wird im Meer versenkt und dann fressen uns die Fische. Na ja, ob Fische oder Würmer, das ist schließlich egal.«
    Er sprach abgehackt, mit langen Pausen zwischen den Worten, als ob er kaum Kraft hätte zum Reden. Er klang ganz anders als sonst. Ob der Arzt ihm eine betäubende Medizin gegeben hatte?
    Eine Zeit lang saßen sie schweigend nebeneinander. Die Kleidung klebte an ihren Körpern, als wären sie gerade aus dem Wasser gezogen worden. Pablo spürte, wie die Müdigkeit ihn wieder überkam, er hörte Pedros nächste Worte fast im Halbschlaf.
    »Das ist ein ordentlicher Regen und ein gewaltiger Wind. Tja, der Weg zum Gold wird einem nicht leicht gemacht. Und jetzt sieht’s so aus, als ob er für mich zu Ende wäre.«
    Pablo murmelte etwas Nichtssagendes. Er war zu müde zum Reden. Und er verstand nicht, was der Bordschütze von ihm wollte. Offensichtlich nichts Böses, da war der Junge fast sicher. Aber warum redete der Mann mit ihm?
    Über die Reling brach eine Sturzsee und schleuderte ihnen große, harte Tropfen in die entzündeten Augen. Pablo stöhnte. Pedro stieß ein krampfhaftes kurzes Lachen aus, während seine Zähne aufeinander klapperten.
    Schließlich wischte er sich das Gesicht mit dem Ärmel ab und sprach mit seiner heiseren Stimme weiter: »Der alte Admiral ist ein Hexenmeister, merkst du das nicht? Wir werden alle in der Hölle landen. Vielleicht sind wir schon drin. Vielleicht ist diese Hexenküche schon ein Teil der Unterwelt. Vielleicht sind wir alle schon tot. Nämlich eben, da haben auf einmal alle Leute um mich herum gestanden, die ich umgebracht hab. So deutlich hab ich sie gesehen wie dich jetzt. Das kann doch nur heißen, dass sie auf mich warten und dass ich bald zu ihnen komme. Oder schon bei ihnen bin.«
    »Ein Teil der Unterwelt? Bist du irre?« Der Schreck war Pablo derartig in die Glieder gefahren, dass er grob wurde. Der Mann war ein Mörder?

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