Das Gold des Columbus
Esteban immer mit seinen Haaren auf.
»Ich würde eher sagen, rot wie die Federn von Loro«, sagte Fernan.
Die vier stützten sich auf ihre Reisigbesen und betrachteten den Sonnenaufgang.
»Macht voran, ihr Faulpelze, oder ich komme euch mit dem Tau!«, schrie der Maat.
Die vier schrubbten hastig weiter. Sie wussten inzwischen, dass sie es nur Fernan verdankten, wenn die Seeleute nicht gleich zuschlugen. Bei den anderen Grumetes hielten sie sich nicht mit Ankündigungen auf.
Eine Windbö fuhr in die Segel, dass das Schiff fast einen Satz machte, und schlaffte nach kurzer Zeit wieder ab. Einige Zeit lang wiederholten sich diese jähen Windstöße, die die Karavellen in Bocksprüngen übers Wasser trieben. Im Lauf des Vormittags wurden die Böen heftiger und die Wellen höher. Weiße Wolkenberge wuchsen am Himmel empor.
Um die Mittagszeit verwandelten sich die Böen in einen gleichmäßigen, brausenden Wind, der immer stärker wurde. Die Segel knatterten wie Schüsse. Die Bugwelle zischte. Die Gischt spritzte bis aufs Deck. Die Schiffe jagten die Wellen hinauf und hinunter. Die grüne Wand der Bäume am Ufer schwankte hin und her. Der Admiral stand auf der Proa, dem erhöhten Vorderdeck, und suchte die Küste mit den Augen ab. Die Wolken verfärbten sich, trieben in weißgrauen, dunkelgrauen, schwarzen Schichten übereinander. Nur noch an wenigen Stellen schimmerte ein Stückchen Blau.
Endlich kam der Befehl zum Segelreffen und Wenden. Die Capitana schoss in eine weit geschwungene Bucht mit einem breiten weißen Sandstrand, hinter dem sich turmhoch der Urwald erhob. Die Bucht war umschlossen von steilen Riffen, an denen sich die Wellen brachen.
Das Wasser hier war noch verhältnismäßig ruhig, die Capitana glitt ans Ufer. In fieberhafter Hast war die gesamte Mannschaft damit beschäftigt, die Anker auszubringen, alle Segel zu reffen und alle Luken dicht zu machen. Rauchzeichen bedeuteten den anderen Schiffen, den größtmöglichen Abstand einzuhalten, damit sie nicht gegeneinander geschleudert werden konnten, falls der Sturm sie losreißen würde.
Die grauen, sich jagenden Wolkenschichten waren mittlerweile zu einer geschlossenen schwarzen Wand zusammengewachsen, die das letzte Blau verschluckte. Ihr Schatten zog über das Wasser und vermischte Meer und Himmel zu einem einzigen Abgrund von bleigrauer Dunkelheit. Kein Blitz war zu sehen, kein Donner ertönte, nur das jaulende Brausen des Windes war zu hören.
Plötzlich zuckte ein buntes Schimmern von der Capitana in die Höhe. Loro hatte seinen Stammplatz in den Wanten verlassen und sich in die Luft geworfen. Er brauchte nur die Flügel zu spreizen, der Wind trug ihn schnell wie einen Pfeil zum Ufer, wo er zwischen den Bäumen verschwand. Fast genauso schnell segelte die blaue Feder mit der Haarsträhne des Indianers hinter ihm her, die Diego Méndez dem Wind übergeben hatte. Im gleichen Augenblick brach der Regen los, als hätte die Wolkenwand einen Riss bekommen wie ein Staudamm, durch den die Massen eines riesigen Sees stürzten.
Es schien keine Luft mehr zu geben, nur noch Platzregen. Pablo kam sich vor, als ob er unter einem Wasserfall stünde. Ganz schwach konnte er die Umrisse von Vorderdeck und Achterdeck hinter den grauen Schleiern erkennen und die Wellen, die trotz der Riffe vor der Bucht immer höher wurden. Er versuchte, sich vorzustellen, wie es jetzt wohl auf dem offenen Meer aussah. Hier in der Bucht mussten die Wellen erst den äußeren Felsenring und die Landzungen überwinden und wurden dadurch gebremst. Draußen erhob sich jetzt sicher ein wahres Gebirge aus Wellentälern und -kämmen. Und mitten darin segelten dreißig Schiffe. Er schauderte. Sie segelten bestimmt nicht mehr, sondern hatten alle Leinwand gerefft wie die Capitana auch.
»Salve, regina mundi, mater amabilis. Clamamus e profundis, tuere nos in undis, o lux affabilis 51 «, betete Pablo lautlos das Gebet, das jeden Morgen nach dem Vaterunser gemeinsam gesprochen wurde. Bei so einem Unwetter konnte nur die Mutter Gottes helfen.
Die Capitana tanzte auf dem Wasser. Pablo klammerte sich mit beiden Händen an der Reling fest. Der Kamm einer Woge tauchte direkt vor seinem Gesicht auf, überschlug sich unmittelbar vor der Bordwand und warf das Schiff in die Höhe wie einen Korken.
Die nächste Woge rauschte über das Deck und riss Pablo von den Füßen. Er spannte all seine Kräfte an, um die Reling nicht loszulassen. Es war, als ob die Bucht sich in einen riesigen, kochenden
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