Das Gold des Columbus
Euch.«
Der Adelantado trat ein. Das Feuer ließ seinen eisernen Helm und seinen Brustpanzer funkeln. Seine Gestalt wirkte fremd und mächtig in dem dämmrigen Raum. Pablo verstand auf einmal, warum die Indianer die Spanier als vom Himmel herabgestiegene Götter betrachteten. Aber was wollte der Adelantado hier? Er sollte ihnen doch erst morgen Abend folgen. Der Herr Admiral musste seine Absichten geändert haben.
»Zeigt dem König die Salbe für seine Wunde, Don Bartolomé«, sagte der Dolmetscher in beiden Sprachen und wies dabei auf Quibian.
Bartolomé Colón zögerte nur kurz. Pablo hatte das deutliche Gefühl, dass er sich erst auf die Situation einstellen musste und dass ein Hintersinn hinter den Worten verborgen war. Dann griff er in seine Tasche und holte eine kleine Silberdose heraus, die er dem König überreichte. Noch während der Indianer danach griff und versuchte, sie zu öffnen, fesselte ihm der Adelantado Handgelenke und Füße mit einer ledernen Schnur. Das dauerte nur wenige Herzschläge.
Alle im Raum standen starr. Don Bartolomé steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen gellenden Pfiff aus. Draußen wurde es lebendig. Spanische Soldaten drängten durch den Eingang.
»Alle im Raum fesseln und abführen«, befahl Bartolomé Colón. »Das müssen seine Verwandten sein. Je mehr wir haben, desto besser.«
Niemand leistete Widerstand. Alle betrachteten fassungslos den gefesselten König, der reglos vor dem Feuer stand. Ein vielstimmiges Stöhnen erhob sich, als zwei Soldaten ihn an den Ellbogen packten und wie eine Puppe nach draußen trugen. Dort stellten sie ihn auf dem leeren Platz vor dem Häuptlingshaus vor einen der Pfähle mit dem Schmuck aus Menschenschädeln und banden ihn daran fest.
Die Frauen und Kinder, denen man nur die Hände auf den Rücken gebunden hatte, mussten sich hinter ihm aufstellen. Wie eine eisenstarrende Mauer standen die Soldaten mit den Stricken in den Händen hinter ihnen. Auch einige Männer gehörten zu den Gefangenen, aber Pablo sah, dass der Sohn des Kaziken nicht darunter war. Er musste entkommen sein.
Die Kunde von der Gefangennahme der königlichen Familie schien sich wie ein Lauffeuer verbreitet zu haben. Von allen Seiten strömten die zierlichen, nackten Gestalten auf den Platz. Viele schlugen die Hände vors Gesicht, vielen liefen die Tränen über die Wangen, viele warfen die Arme in Gesten des Abscheus und Entsetzens empor, aber alles geschah erstaunlich lautlos.
In die Stille hinein dröhnte die Stimme des Adelantado. »Vor der Flussmündung haben sich tausende von Kanus mit Kriegern versammelt. Wenn sie es wagen, uns anzugreifen, werden sie ein schreckliches Ende nehmen. Wir haben Waffen, die hunderte auf einmal töten. Für jeden verletzten Spanier werden außerdem zehn Mitglieder der königlichen Familie sterben. Der König muss seine Krieger auffordern, abzuziehen und uns in Frieden zu lassen. Wir werden die Siedlung Belén halten und den Goldabbau vorantreiben. Um unsere Sicherheit zu gewährleisten, werden der König und seine Familie nach Spanien gebracht, damit sie am Hofe der katholischen Majestäten das Christentum und die Regeln gesitteten menschlichen Zusammenlebens erlernen. Der König mit den Seinen wird zu seinem Volk zurückkehren, aber nur, wenn die Siedlung Belén unversehrt bleibt. Übersetzt das bitte, Señor Méndez.«
Der Dolmetscher gehorchte. Der König sah während der Ansprache auf seine gefesselten Hände nieder und hob den Blick nur einmal, um die große goldene Scheibe auf der Brust des Sprechenden zu betrachten. Für Pablo war das so deutlich wie Worte.
»Du bist mein Gast«, sollte das heißen. »Wir haben Gastgeschenke getauscht und trotzdem nimmst du mich gefangen.«
Als die Umstehenden begriffen hatten, dass ihr König sie verlassen und in dem großen Kanu mit den weißen Flügeln über das große Wasser gebracht werden sollte, ging eine einzige Bewegung über den Platz. Innerhalb von wenigen Augenblicken waren alle Indianer verschwunden.
»Wir sollten besser schleunigst abhauen«, sagte einer der Soldaten halblaut. »Wer weiß, was die Kerle aushecken? Das sind doch keine Menschen, das sind Wilde. Schaut euch die Totenschädel an. Wahrscheinlich schlachten sie ihre Feinde und fressen sie auf.«
Er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als die ersten Indianer wieder erschienen. Sie legten Klumpen aus Gold, goldene Schalen und Krüge vor ihrem König nieder. Kinder brachten goldene Amulette und kleine
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