Das Gold des Columbus
glatter Selbstmord, sich in den Fluss zu stürzen.«
Señor Sanchez beugte sich vor, löste die Knoten in den Lederbändern und knüpfte sie lockerer. Der König stöhnte leise vor Erleichterung und saß wieder still. Juan Sanchez schlang sich die Enden der Fesseln ums Handgelenk. Das gleichmäßige Klatschen der Ruder und das Rauschen des Flusses schläferten Pablo ein. Er sah, dass auch dem Chefpiloten der Kopf auf die Brust sackte. Ein paarmal riss er ihn hoch, dann ließ er ihn hängen und begann, leise zu schnarchen.
Pablo bemerkte im Einschlafen gerade noch, dass die Hände des Königs sich nicht mehr im Lichtschein der Laterne befanden und dass er sie verstohlen und unablässig bewegte. Aber was hatte das schließlich zu bedeuten? Er versuchte wahrscheinlich nur, die Gelenke gegeneinander zu reiben und das gestaute Blut wieder in Gang zu bringen.
Pablo fuhr aus dem Schlaf hoch. Da war eine Bewegung gewesen, direkt über seinen Knien. Er stieß einen Schrei aus. Der Platz neben ihm war leer. Der verknotete Lederriemen baumelte vom Handgelenk des Chefpiloten.
»Wo ist der Kerl hin?«, schrie Juan Sanchez.
Er riss die Laterne in die Höhe und leuchtete das Wasser ab. Es floss still und dunkel neben dem Boot dahin, kein Kopf war auf der glatten Oberfläche zu sehen, kein ausholender Arm, keine Bewegung.
»Aber... aber er war gefesselt«, stotterte der Chefpilot.
Pablo wies wortlos auf den Lederriemen.
»Bei allen Höllenfeuern, er hat sich rausgewunden! Aber seine Füße waren gefesselt. Er kann doch nicht nur mit den Armen schwimmen, das ist doch nicht möglich!«
Wenn man Gefangenschaft und Tod vor Augen hat, bringt man wahrscheinlich auch Unmögliches fertig, dachte Pablo. Aber er hielt den Mund.
Wieder ließ Juan Sanchez den Lichtschein über das Wasser gleiten. Auf einmal seufzte er vor Erleichterung. »Da! Siehst du! Da ist eins von diesen widerlichen Krokodilen. Das hat ihn geschnappt, verlass dich drauf. Und wenn nicht dieses, dann ein anderes. Wahrscheinlich ist der Kerl schon Hackfleisch.«
Pablo verkniff sich die Bemerkung, dass das Krokodil wohl nicht neben ihnen schwimmen würde, wenn es gerade Beute gemacht hätte. Und dass die Eingeborenen einen einfachen, aber wirkungsvollen Trick hatten, sich die Menschenfresser vom Leib zu halten. Sie stießen ihnen beide Zeigefinger mit aller Kraft in die Augen. Dann öffneten die Tiere das Maul und verschwanden.
Pablo war froh, dass er nicht in Juan Sanchez’ Haut steckte und dem Herrn Admiral das Entkommen des Königs melden musste, als die Schaluppen endlich die Capitana erreicht hatten. Man hörte seine zornige Stimme trotz des Heulens und Bellens von Diablo, der sich weder von Pablo noch von seinem Tierbalg ablenken ließ und erst ruhiger wurde, als die Gefangenen in den Laderäumen der Capitana verschwunden waren. Dort werden sie jetzt zwischen Fässern und Ballen verstaut, als ob sie Gepäckstücke wären, dachte Pablo. Ob Miguel auch so im dunklen Bauch des Maurenschiffes gelegen hatte, verschnürt wie ein Paket, hilflos den Ratten und dem Ungeziefer ausgeliefert, von Durst und Hunger gequält?
Pablo machte sich auf die Suche nach dem Proviantmeister.
»Wasser für die Gefangenen? Bist du verrückt? Wir haben selbst kaum genug. Wir haben die Schiffe doch leer räumen müssen, um über die Sandbank zu kommen. Sobald die restlichen Männer an Bord sind, müssen wir einen Trupp nach Trinkwasser ausschicken.« Der Proviantmeister klapperte missmutig mit den Vorratskammerschlüsseln, die immer an seinem Gürtel hingen. »Möchte überhaupt wissen, wie der Alte die Gefangenen ernähren will. Wir haben doch den größten Teil der Vorräte für die Leute in Belén zurückgelassen und gerade so viel an Bord, um es nach Española zu schaffen. Warum schleppen wir überhaupt diese Wilden übers Meer? Die meisten überstehen die Fahrt sowieso nicht. Weißt du, woran man merkt, dass man bald einem Sklavenschiff begegnet? An dem Teppich von Indianerleichen in seinem Kielwasser. Das sagt doch wohl alles.«
Pablo tastete sich über das dunkle Schiff, umrundete schnarchende Ranchos und suchte einen freien Platz zum Schlafen. Er fühlte sich ziemlich verlassen ohne Fernan und Señor Méndez und die Sevillaner. Zögernd näherte er sich der Ladeluke. Die war der begehrteste Schlafplatz, weil sie die einzige Stelle war, wo die Planken sich nicht wölbten, aber heute lagen nur zwei Männer dort. Einer hob den Kopf.
»Trau dich bloß nicht näher,
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