Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Gold des Columbus

Das Gold des Columbus

Titel: Das Gold des Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa-Maria Zimmermann
Vom Netzwerk:
Strähne von Señor Méndez’ schulterlangen braunen Haaren, kämmte sie nach hinten, dann zur Seite, dann wieder nach hinten und verfuhr so mit mehreren weiteren Strähnen. Der Indianer betrachtete die beiden verblüfft und sagte dann wieder etwas, diesmal gemäßigter.
    »Ich spreche nur mit dem König Quibian«, erklärte der Dolmetscher in der Indianersprache und sah den jungen Mann immer noch nicht an. »Du hast jetzt genug gekämmt, Pablo. Mach ordentlich Theater mit der Schere und dann fang an zu schneiden. Aber nur ein kleines Stück, ich möchte meine Haare behalten. Und wenn du damit fertig bist, nimmst du dir den Bart vor. Und du stehst wie ein Standbild, Fernan. Rühr dich nicht und schau in den Himmel.«
    Es dauerte einige Zeit und mehrere Abgesandte, bis schließlich der Sohn des Königs erschien. »Mein Vater ist krank. Er hat eine Wunde am Bein. Was macht ihr hier?«
    Diego Méndez erhob sich und strich mit stolzer Gebärde über sein geschnittenes Haupt- und Barthaar. »Meine Würde ist gerade erhöht worden. Und zwar mit diesen Instrumenten.« Er nahm Pablo Kamm und Schere aus der Hand und schwenkte sie hin und her. »Von allen Abgesandten des Himmels, die zu eurem Fluss herniedergestiegen sind, bin ich jetzt der mächtigste. Nur mein Herr, der Gebieter der großen Kanus mit den weißen Flügeln, und sein Sohn stehen noch über mir. Sein Sohn trägt zum Beweis seiner himmlischen Abkunft die Strahlen der Sonne um seinen Kopf. Ich werde jetzt auch seine Würde erhöhen.«
    Er fuhr dem immer noch reglos dastehenden Fernan mit dem Kamm durch die Haare, hielt aber plötzlich inne. »Sonnenkopf ist der Sohn eines Herrschers. Ihm gebührt ein Herrschersitz.«
    Der Sohn des Kaziken streckte zögernd die Hand aus und berührte Fernans goldrote Haare. Dann rief er einem Diener einen Befehl zu. Der Mann verschwand im Haus und kehrte mit einem Sitz zurück, der aus einem Baumstamm gefertigt und wie ein hockendes Tier geformt war. Seine Oberschenkel bildeten die Sitzfläche, seine Vordertatzen die Lehnen, Bauch und Hals die Rücklehne, die in einem Jaguarkopf mit aufgerissenem Maul endete. Alle Körperteile waren mit Goldplatten verziert.
    Fernan nahm auf dem Jaguarsitz Platz. Señor Méndez kämmte ihm lange die Haare und hielt dabei die Strähnen in die Höhe, sodass alle Umstehenden sich überzeugen konnten, dass der Name Sonnenkopf gerechtfertigt war. Dann kürzte er sie vorsichtig und legte die abgeschnittenen Haare mit übertriebener Ehrfurcht in sein Taschentuch, das Pablo ihm entgegenhielt.
    »Ich grüße dich, König Quibian«, sagte er auf einmal. »Wenn du es mir gestattest, werde ich auch deine Würde erhöhen und dich zum mächtigsten Herrscher dieses Landes machen.«
    In der Öffnung des Häuptlingshauses stand ein zierlicher, nackter Mann mit einer tellergroßen Goldscheibe auf der Brust.
    »Ich grüße dich, Alter Adler. Ich bin bereits der mächtigste Herrscher dieses Landes«, erwiderte er stolz.
    »Schnell, Fernan, mach ihm Platz! Hast du etwa Angst vor der Erhöhung deiner Würde, König?«
    Quibian zog hochmütig die Augenbrauen hoch und ließ sich auf dem frei gewordenen Sitz nieder. Diego Méndez zog einen Handspiegel aus der Tasche.
    »Hier, damit kannst du beobachten, was ich mache.«
    Der König fuhr zurück. Pablo sah, wie sich seine Muskeln spannten, als ob er aufspringen und weglaufen wollte. Aber er beherrschte sich und nahm sogar nach einiger Zeit den Spiegel in die Hand. Der Dolmetscher ließ ihm Zeit, sich ausgiebig von allen Seiten zu betrachten, bevor er ihm die Haarspitzen schnitt. Es war offensichtlich, dass dem König das silberne Ding und vor allem sein Ebenbild darin gefielen.
    »Sonnenkopf will dir seine Haare schenken. Gib du ihm deine, dann seid ihr Freunde.«
    Der König schüttelte den Kopf und gab zögernd den Spiegel zurück. »Wir können keine Freunde sein. Ihr werdet alle sterben.«
    Diego Méndez zeigte nicht das geringste Erschrecken. »Wir kommen vom Himmel. Wir können nicht sterben.«
    »Du lügst. Die große Wasser-Iguana hat einen von euch gefressen.«
    Pablo versuchte krampfhaft, genauso unbeteiligt zu blicken wie Señor Méndez. Ob die Nachricht von den angreifenden Krokodilen tatsächlich schon bis hierher gedrungen war?
    »Die große Wasser-Iguana ist an dem Mann erstickt«, behauptete der Dolmetscher. »Und er ist unverletzt aus ihrem Maul entkommen.«
    Der König erwog diese Möglichkeit. Er schien sie nicht auszuschließen. »Ihr werdet trotzdem

Weitere Kostenlose Bücher