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Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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geschwächt war, sei die römische Gesandtschaft gekommen, um mit Krieg zu drohen, falls nicht noch mehr Silber gezahlt würde und Qart Hadasht außerdem die Inseln Sardo und Kyrnos abtrete.
    »Spätestens seither wissen auch die Alten, daß Hanno irrte, als er sich darauf verließ, mit Rom wie mit jeder anderen Macht verhandeln zu können. Er ist jetzt um die Fünfzig; er ist immer noch der mächtigste Mann und Hamilkars Todfeind; aber hin und wieder, heißt es, soll der eine oder andere Ratsherr der Alten versucht haben, die Partei aus Hannos allmächtigen Händen zu lösen.« Er verzog das Gesicht. »Einige sollen dabei gestorben sein, an seltsamen Unfällen und Krankheiten. Andere mußten aus Gesundheitsgründen Ämter aufgeben. Arish ist ein paar Jahre jünger als Hanno; er gilt als der zweite Mann der Alten, und es gibt Gerüchte, daß er der erste werden will.«
    Sie hatten die Straße erreicht und gingen zum Tor. Laetilius wirkte nachdenklich. Bomilkar war eben dabei, ihm Hamilkars Verteilung der Truppen zu erklären – Iberer nach Qart Hadasht, Libyer und Numider nach Iberien –, als der Römer stehenblieb und ihn am Unterarm faßte.
    »Klar; so sind alle in der Fremde und hängen vom Strategen ab. Aber lassen wir das jetzt. Vor dem nächsten Krieg solltet ihr zwei Dinge tun.«
    »Was denn?«

    »Dem Angreifer die Mauer zeigen, damit er ahnt, worauf er sich einläßt. Und … führt ihn zu Hamilkars Garten, damit er weiß, daß es Dinge gibt, die nicht zerstört werden dürfen.«
     
    Arish empfing die jungen Männer im Ratssaal. Letztes Abendlicht sickerte durch die vielfarbigen Fenster: Glas in allen Schattierungen, in Blei gefaßt. Der Saal, der die dreihundert Ratsmitglieder, die Sufeten, die Richter und die nötigen Schreiber aufnehmen konnte, roch nach Opferharz; vor dem eisernen Standbild des Baal Melqart stiegen immer noch dünne Rauchfäden aus dem Brandbecken, einer Eisenschale auf einem schwarzen Dreifuß. Zwei verwitterte Steinfäuste an der Wand neben dem Gott der Stadt hielten harzige Fackeln, deren Licht sich mit dem des Abends zu etwas vermischte, was Bomilkar wie ein bodenloser See aus Träumen und uralten Gebeten erschien. Gebete, Gemurmel, Gewisper; die Geister der Mächtigen aus fast sechshundert Jahren schienen anwesend. Zwielicht und der Ruch des brennenden Harzes verwandelten sich in eine ungeheure Bürde, unter der er stolpern und ersticken zu müssen meinte. Als er kaum merklich taumelte, spürte er den harten Griff des Römers an seinem Ellenbogen; er dachte noch immer an die ehrwürdigen Vorfahren, aber nun auch an die schrecklichen Fehlentscheidungen, die in diesem Saal während des Großen Römischen Kriegs getroffen worden waren. Plötzlich konnte er wieder atmen; die Bürde löste sich zu Rauch und Zwielicht auf.
    Arish saß auf der erhöhten Bühne, am langen Tisch, von dem die Vorsitzenden die Beratungen leiteten. Hinter und über ihm, an der Wand, hingen Trophäen, ein halber Schiffsbug, kostbare Rüstungen. Arish trug einen Umhang aus weißem Leinen, mit Goldfäden durchzogen und purpurn gesäumt, am Hals durch eine dünne Goldkette befestigt. Auf dem Kopf saß, mit Goldspangen im Haar verankert, ein hoher spitzer Hut aus dunklem Stoff, verziert mit Silberstreifen.
Der Fünf-Herr für Fremdlande hatte geschrieben; es mußte etwas Wichtiges sein, da er es nicht seinem Schreiber überließ. Die Finger der Linken spielten mit einem uralten ägyptischen Rollsiegel. (Bomilkar hätte etwas dafür gegeben, ägyptische Bildzeichen deuten und feststellen zu können, welchen Pharaos Siegel Arish sich angeeignet hatte.) Der Umhang schien von den Schultern rückwärts und zur Seite zu fließen, gab den Armen die nötige Bewegungsfreiheit und ließ das schimmernde Gewand erkennen, einen knöchellangen kitun aus Seide. Der Stoff vom Ostrand der Welt, mit Karawanen oder Schiffen endlos lange unterwegs, kostete das Mehrfache seines Gewichts an Gold. Nur die ganz Reichen und die ganz Mächtigen konnten sich Seide leisten.
    Und zweifellos wollte Arish genau so gesehen werden; aber der reiche und mächtige Mann in Zwielicht und Harzschwaden wirkte winzig vor der Wand mit den alten Beutestücken. Dennoch hütete Bomilkar sich, ihn auch nur einen Atemzug lang zu unterschätzen; die Augen waren kalt und durchdringend. Den Gegenwert dessen, was Arish an Ringen in beiden Ohren und an den Fingern trug, mochte ein guter Handwerker in einem Jahr verdienen. Ein Ring, ein Wink, und ein paar Männer

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