Das Gold von Karthago
keiner behauptete, Besitzer des Schatzes zu sein. Der Älteste hatte gesagt, man werde auf Hamilkars Gut ordentlich behandelt und bezahlt, aber so prächtig nun auch wieder nicht. Nederbal würde die übrigen Leute befragen, die nicht dagewesen waren; es war aber kaum wahrscheinlich, daß dabei etwas herauskäme.
Die Folgerung war einfach. Wenn nicht ein Fremder oder einer der oft auf dem Gut anwesenden Ratsherren der Barkiden (aber wer von den edlen Herren, allesamt Grundbesitzer und Händler, mußte denn Münzen in fremden Gärten verstecken?) den Beutel in Hamilkars Garten hinterlegt hatte, blieb eigentlich nur Tuzut. Der Tote. Der Mann, der den ermordeten Römer gefunden hatte und nun selbst getötet worden war. Aber wie kam er an fünfhundert shiqlu ? Am einfachsten schien die Annahme, daß Tuzut eben doch etwas gesehen hatte, als er Lavinius fand – entweder den, der den Leichnam dort hingebracht hatte, oder verräterische Spuren, vielleicht einen verlorenen Gegenstand. Wenn er nicht sogar mitgemacht hatte. Vielleicht zunächst gegen geringen Lohn, den er aufzubessern suchte, als Rom einen Ermittler schickte und alles zu einer großen Amtshandlung wurde.
Was hatten die Männer gesagt? Tuzut und die ungeliebten Arbeiten? Lavinius war am ersten Addaru im Hafen angekommen und hatte sich sogleich zum Gut begeben, dessen Gastfreundschaft er lange Zeit genoß. Am dritten Abend jeden Monds kamen Freunde von Nederbal, um deren Pferde sich Tuzut zu kümmern hatte – am dritten Addaru, als Lavinius seit zwei Tagen anwesend war (würde Nederbal einen Gastfreund des großen Hamilkar von einer Feier ausschließen?), und dann wieder am dritten Nisannu. Am Morgen des vierten fand Tuzut die Leiche des Römers, der am Vortag kurz, wohl eher zufällig, auf dem Gut gewesen und dann zurück zur Stadt gegangen war.
Nun war der nächste Römer gekommen. Bomilkar mochte nicht glauben, daß Tuzut zufällig am Tag nach der Ankunft von Laetilius ermordet worden war – zufällig ein paar Stunden, ehe sie ihn noch einmal befragen konnten. Aber bis sie die Ställe der Festung erreichten, hatte er diese Mutmaßung und zwei Dutzend weitere mehrfach erwogen, verändert, umgestoßen und neu aufgenommen. Dabei achtete er nicht auf den Weg; irgendwo bogen sie auf eine kürzere Strecke ab, die jedoch nicht nördlich der Mauer endete, sondern weiter östlich ins Viertel der Gerber und Färber führte. Er nahm an, daß sie durch die Abkürzung mindestens hundert Atemzüge schneller zu den Ställen kamen: Atemzüge voll des entsetzlichen Gestanks aus Farbbottichen und Gruben ätzender Flüssigkeiten.
Daniel wollte alte Freunde besuchen, vor dem Tynes-Tor; ehe Hamilkar ihn zum Verwalter des Familienbesitzes in der Byssatis gemacht hatte, hatte er als Aufseher des Vorstadtmarkts gearbeitet. Bomilkar beschrieb ihm Aspasias Wohnblock und sagte, nach Sonnenuntergang werde er sie dort im Innenhof antreffen.
Als sie die Pferde abgegeben hatten, räusperte sich Laetilius.
»Wird der Jude uns dort beide finden?«
Bomilkar hob die Brauen. »Wenn du nichts Besseres vorhast … Warum fragst du?«
Laetilius wirkte leicht verlegen. »Das hat etwas mit der zweiten kleinen Lüge zu tun.«
»Täusche ich mich, oder wirst du ein bißchen rot?« Der Römer machte eine wegwerfende Geste. »Das hat keine Bedeutung. Innerlich, meine ich; ein Zufall von Blut und Sonne, nehme ich an.«
»Ah, nun weiß ich es. Was ist mit der Lüge?«
»Laß uns nach draußen gehen.«
Als sie auf der Straße standen, sagte Laetilius: »Irgendwie kam es mir da drinnen so vor, als ob alle Ohren von Karthago Zeugen meiner Schande würden.«
Bomilkar verschränkte die Arme vor der Brust. »Na komm, so schlimm kann eine kleine Lüge doch nicht sein.«
»Nicht schlimm – albern, und das ist schlimmer.« Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Die alten Krieger haben mich gewarnt – punische Treulosigkeit, du kennst den Begriff, ja? Ich sollte nichts preisgeben, um nicht in die Gefahr zu geraten, daß die bösen Feinde zum Beispiel Häscher ausschicken, die meine Angehörigen bedrohen, damit ich gefügig bin.«
»Ich preise die purpurfarbene Göttin aller erstaunlichen Erfindungen.« Bomilkar schüttelte langsam den Kopf; er grinste breit. »Mit anderen Worten, du hast doch eine Frau und wolltest nicht von ihr reden, damit wir nicht …«
»Eben; damit ihr nicht. Ja, eine Frau und drei Kinder.« Bomilkar lachte; er legte Laetilius eine Hand auf die Schulter. »Ich
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