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Das Gold von Karthago

Titel: Das Gold von Karthago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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verspreche feierlich, daß ich darauf verzichten werde, als Gaukler verkleidete Kriegselefanten übers Meer zu schicken. – Magst du noch immer die Festung sehen?«
    »Haben wir denn Zeit?«
    Bomilkar blickte in den Himmel; die Sonne stand weit über dem Horizont. »Noch ist der Nachmittag nicht vorüber; Arish kann warten. Er wird ohnehin mit wichtigen Dingen beschäftigt sein. Komm.«
    Solange die Flotten der Stadt das Meer beherrschten, war die Seemauer nicht angreifbar; sie zog sich von Kap Kamart im Nordwesten über Kap Qart Hadasht im Nordosten bis hinab zum Hafen. Die von Werkstätten, Werften, Schuppen und Marktgärten eingenommene Landzunge zwischen dem Meer und dem See von Tynes im Süden war zu schmal für Belagerungsheere; man hatte Qart Hadasht mit einem an der Küste verankerten Schiff verglichen, das nur vom Land her bedroht werden konnte. Diese Landstelle war der Isthmos, die Enge zwischen dem See von Tynes und der seichten Bucht westlich von Kap Kamart, kaum breiter als fünftausend Schritte. Im Norden gab es Durchgänge zur Hügellandschaft der Megara mit ihren
Feldern, Hainen und reichen Häusern; wo die Südmauer am Tynes-See durch ein System von Türmen, Vorsprüngen und Winkeln mit der Isthmosmauer verbunden war, lag das Tynes-Tor. Die Große Straße führte hier durch die Befestigungen, über die Brücken und Gräben, zum Marktgelände und den Vororten.
    Der ganze Rest des Isthmos war von der gewaltigsten Mauer der bekannten Welt gesichert. Agathokles war daran gescheitert, und man sagte, auch Alexanders Heere wären dort verblutet, aber zu ihrem Glück sei ja der große Makedone in Babylon gestorben, ehe er den Westfeldzug beginnen konnte. Der zweiundzwanzig Schritt breite, in der Mitte fünf Männer tiefe äußere Graben konnte notfalls schnell geflutet werden, indem man die dünnen Dämme an der nördlichen Bucht und am Tynes-See zerstörte. In den Graben waren zudem Sicheln, Speere, Haken und Dornen eingelassen. Es folgten eine glatte Schräge, bewehrt mit engstehenden Eisenstacheln, und die erste Mauer, zwei Männer hoch und sieben Schritt breit. Dahinter ein Graben mit einem Wald aufrechter Speere, eine weitere bewehrte Schräge und die zweite Mauer, fünf Männer hoch und sieben Schritt breit, mit Brustwehr und Scharten für Bogenschützen und Schleuderer. Der letzte, innere Graben konnte ebenfalls geflutet werden, und dann blieb der Große Wall: acht Männer hoch, fünfzehn Schritt breit, mit abwärts gerichteten Eisenstacheln an der Brustwehr, mit scharfen Steinen, Metallsplittern und Glasscherben im Mörtel; mit viergeschossigen Türmen in Abständen von achtzig Schritten; mit Katapulten, Pechöfen, Pyramiden von Steinkugeln, Kammern voller Waffen und Kisten voller Metalltrümmer.
    Hinter dem Großen Wall, von ihm durch die Straße getrennt, auf die man aus der Schreibstube des Artemidoros blickte und die sie genommen hatten, um die Stadt nach Norden zu verlassen, lagen zwei Reihen von Stallungen übereinander, mit Rampen für die Tiere, Treppen und Gängen
für die Menschen. In den unteren Hallen waren die Kriegselefanten untergebracht – bis zu dreihundert, zur Zeit allerdings kaum halb soviel. In den oberen Ställen war Platz für viertausend Pferde; Bomilkar schätzte, daß augenblicklich nur etwa drei Dutzend Tiere dort gefüttert und gepflegt wurden. Der größte Teil der Herden weidete weit draußen, nördlich der Tynes-Straße; außerdem herrschte Friede im Umkreis der Stadt. Deshalb waren auch die Unterkünfte der Krieger eher leer. Teils in der Großen Mauer selbst, teils neben und hinter den Stallungen konnten bis zu zwanzigtausend Fußkämpfer und viertausend Reiter untergebracht werden.
    Sie erstiegen einen der Türme; von der Katapultplattform aus zeigte Bomilkar dem Römer die satten Farben der Felder, die im Spätnachmittag glühten, das Dach von Hamilkars Gutshaus, die ununterbrochene Linie der Seemauer, die bunten Zelte und Stände des Markts vor dem Tynes-Tor, die Pferdeweiden im Nordwesten, die Fischerboote auf dem Tynes-See, der eine Fläche aus gleißendem Gold war unter der Sonne; sie wandten sich um und suchten im Dickicht der Häuser die Schneise der Großen Straße, sahen geblendet im Osten die sinkende Sonne in der Vergoldung des Eshmun-Tempels auf der Byrsa, ließen die Blicke rasten (es war, als ob die versengten Augen sich dabei abkühlten) im Grün der Gärten und in den tausend Ockertönen der Häuser.
    »Fünfhunderttausend Menschen.« Laetilius

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