Das Gold von Karthago
gleichen Leute zwei Frauen entführt, von denen eine, wie es heißt, dem Herrn der Wächter die Nächte erhellt.«
»Das ist ein Teil.«
»Ich weiß. Der andere Teil sollte ein wenig warten.«
Der Wirt war an ihren Tisch getreten. Er hatte eine runde Wollmütze auf den kahlen Schädel gestülpt, kratzte sich mit einer Hand den Bauch hinter der dunklen Lederschürze, in der anderen hielt er ein mit hellem Weichstein bekritzeltes Brett.
»Der Herr der Sandbank und seine Freunde – ah, der Hüter der Ordnungsliebenden! Dann mußt du der Römer sein, von dem alle reden.« Er verbeugte sich, ohne das Kratzen einzustellen.
»Würzwein und Wasser«, sagte Antigonos. »Ich hoffe, deine sauren Genüsse sind nicht die Ursache der Krätze.«
»Keineswegs. Wie es heißt, soll man sich nicht kratzen, wo es nicht juckt. Ein anderes Sprichwort dagegen sagt …«
»… daß geschwätzige Wirte Nachlaß auf ihre Preise gewähren sollten. Was hast du zu bieten?«
»Fisch. Hund. Gazelle. Huhn. Gemüse. Alles sauer.« Der Wirt schnalzte. »Du hörst, daß ich auch knappe Reden meistere. «
»Bestell du für mich.« Laetilius stieß Bomilkar mit dem Ellenbogen an. »Ohne Vergiftung.«
»Laßt mich das machen; ihr seid meine Gäste.« Antigonos schien das Gekritzel auf dem Brett entschlüsseln zu können; er bestellte Fischsuppe, Masthund, eingelegte Streifen Gazellenfleisch, Lauch, zum Abschluß frischen Käse und Datteln in heißem Würzwein.
»Was ist mit Daniel?« sagte der Römer, als der Wirt sich verzogen hatte.
»Daniel kommt später; er will ein wenig die Augen offenhalten. – Also, man hat dafür gesorgt, daß ihr nicht weiter nach Mördern sucht, nicht wahr?«
Laetilius nickte.
»In dieser Stadt bleibt nichts verborgen, oder?« sagte Bomilkar
»Doch. Das, was man finden möchte.« Antigonos lächelte, wurde aber sofort wieder ernst. »Hast du Titus schon gedankt? «
»Wofür?«
»Daß du noch lebst. Ich bin sicher, daß da jemand an Verärgerung in Rom denkt, falls hier noch ein Römer umkommt. Andernfalls hätte man euch beide beseitigt, nehme ich an. Für dich allein hätte man sich nicht diese Mühe gemacht. «
»Meinst du wirklich? Und was könnte dahinterstecken?«
Antigonos schwieg, bis der Wirt Becher und Krüge auf ihrem Tisch abgestellt hatte, einschenkte und zurück zum großen Schanktisch ging, hinter dem die Küche lag.
»Worum es immer geht. Geld.«
Laetilius hob eine Braue. »Geld? Nicht vielleicht Macht oder Einfluß?«
»Das ist das gleiche. Reichtum bedeutet Einfluß, Einfluß ist Macht. Ob im Rat oder in den schäbigen Vierteln. Weiß niemand, wo Gulussa steckt?«
Bomilkar berichtete – mit einigen Ergänzungen von Laetilius – über die Vorgänge der letzten Nacht und die wenigen Dinge, die sie herausgefunden hatten: die Ablenkung auf der Großen Straße, den unwirklich kurzen Kampf um Gulussas Haus, die Blutmengen, den Fluchtweg, der in die Byrsamauer und zu den uralten Grabstätten führte.
Antigonos lächelte versonnen. »Ich erinnere mich … Es ist sehr lange her. Es gibt noch andere, inzwischen unterirdische Gräber, ein Stück weiter westlich.«
»Was willst du damit sagen? Sollen wir dort suchen?«
»Ihr könnt nicht die ganze Stadt umgraben. Nein, auch das war nur eine Erinnerung.«
Der Wirt brachte die säuerlich duftende Fischsuppe in einem großen Tontopf. Mit einer Kelle füllten sie ihre Näpfe, bröckelten Brot darüber und begannen zu essen. Irgendwann ließ Antigonos den Löffel sinken und sagte:
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß es nur um einen Krieg zwischen Fürsten der Unterwelt geht. Ich kann mir andererseits auch nicht vorstellen, daß all dies nichts mit den undurchsichtigen Beschlüssen einzelner Ratsherren zu tun haben soll. Allerdings weiß ich nicht, wie ich Qarthalo, Arish, den bedauernswerten Budun und Gulussa sowie dessen Gegner zusammenbringen soll.«
»Wie erfreulich, daß der edle Herr der Sandbank auch nicht klüger ist als wir.« Laetilius klang ein wenig spöttisch. »Was werden wir denn nun tun?« Er blickte Bomilkar an. »Werden wir den Anweisungen gehorchen?«
»Ich mag eigentlich nur Anweisungen gehorchen, die von den zuständigen Männern kommen. Seltsam, daß die Anweisungen des neuen Richters und die der Verbrecher gleich sind.«
»Und daß sie sich mit den Wünschen vor Qarthalo und Arish decken.« Antigonos schob den leeren Napf fort. Er hob den Becher. »Trinken wir heißen Würzwein auf das Frösteln, das euch zweifellos
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