Das Gold von Karthago
wurde.
»Genau. Unter der Mauer, in der Mauer.« Daniel ging zu einem Stück Ziegelwand, tastete und fand einen Riegel. Das Wandstück bewegte sich lautlos; die Ziegel waren an einer massigen Holzplatte befestigt, die in gefetteten Angeln hing.
Sie standen in einem Hohlraum, in der Byrsamauer. Es war eher ein saalartiger Gang, der einmal als Truppenunterkunft oder Waffenkammer gedient haben mochte; in den Wänden steckten Haken, die schwere Gewichte tragen konnten.
»Woher kennst du das?« Bomilkar flüsterte unwillkürlich.
»Hab ich dir nicht gesagt, daß ich Gulussas Viertel von früher her kenne? Ich bin als Junge hiergewesen, einmal, glaube ich, zusammen mit ein paar anderen, nach einer Keilerei mit einer Gruppe von Lehmköpfen – Söhnen reicher
Eltern.« Er kicherte leise. »Tiggo war auch dabei. Antigonos, Herr der Sandbank. Wir mußten rennen, und einer von uns kannte sich hier aus. Warte mal. Ah, da vorn.«
Er ging vielleicht zwanzig Schritt weiter, blieb stehen und stampfte auf. Der Boden klang hohl.
»Sehr sauber hier, seht ihr? Ich nehme an, hier sind sie eingestiegen.« Er bückte sich, faßte in eine Vertiefung und öffnete eine weitere Klappe. Darunter sah man ein paar Stufen – nur zwei oder drei, weiter reichte das matte Zwielicht in der Mauer nicht.
Bomilkar beugte sich vor und versuchte, ins Dunkel hinabzuspähen. »Wohin kommt man da?«
»Zu einem Saal – einer riesigen unterirdischen Halle voll von uralten Grabmalen. Ich weiß nicht, wie alt das alles ist, aber es muß aus den frühen Jahren der Stadt sein, als nur die Gegend am Hafen und um den tofet herum bewohnt war.«
»Und wie kommt man da wieder raus?«
Daniel hob die Schultern. »Ich weiß nicht mehr genau, wo wir damals herausgekommen sind, aber wenn ich mich nicht sehr irre, gibt es ein paar Dutzend Möglichkeiten. Durch alte Schächte, nicht mehr benutzte Abwasserröhren, zertrümmerte Keller von Häusern, die vor Jahrhunderten abgerissen wurden. Was du haben willst.«
Bomilkar zögerte; er kaute auf der Unterlippe und starrte in den Eingang zur Unterwelt.
»Wir sind zu wenige.« Laetilius trat neben ihn, blickte ebenfalls hinab und schüttelte dabei den Kopf. »Die könnten damit rechnen, daß man sie verfolgt. Wenn alles so ist, wie Daniel sagt… Tausend Grabmale, hinter jedem ein Bogenschütze oder Speerwerfer. Wir haben ja nicht mal Fackeln.«
Am späten Nachmittag erschien in Bomilkars Schreibstube der Streifenführer, der am vergangenen Abend in der Nähe des Getümmels auf der Großen Straße gewesen war. Hätte
gewesen sein sollen, wie sich herausstellte. Ein Bote des Rats, der vom Fünf-Herrn für Ordnung, Qarthalo, gesandt zu sein behauptete, habe die dreiköpfige Streife nahe der Agora abgefangen.
»Er hat uns einen Papyros gezeigt, mit Qarthalos Siegel und Unterschrift. Wir sollten am Westende der Agora für Ruhe und Sicherheit sorgen, man erwarte einen wichtigen numidischen Fürsten, der nicht behelligt werden dürfe und mit seinen Begleitern, alle zu Pferd, zum Rat wolle.«
»Und? Ist er gekommen?«
Der Unterführer nickte. »Zwei Männer, dann noch einmal zwei. Die hätten auch ohne uns den Weg gefunden.«
Bomilkar war noch dabei, sich für oder gegen Argwohn zu entscheiden, als Zililsan eintrat. Eigentlich sollten die Männer vom Karrenschuppen, die es amtlich nicht gab, die Festungsgebäude meiden, aber Zililsan hatte zwei wichtige Gründe.
»O Häuptling«, sagte er, als er sich auf die Kante von Bomilkars Schreibtisch hockte. »Du wirst es nicht mögen.«
»Wenn die Botschaft so schlecht ist, wie du aussiehst, beginne ich mich schon zu fürchten. Sprich.«
Zililsan versuchte zu grinsen; ein eher wirrer Ausdruck irrte in den Verwerfungen des müden Gesichts umher und versickerte dann wie zu wenig Regen nach zu langer Dürre.
»Die eine Nachricht ist weder gut noch schlecht, die zweite ist übel, die dritte ist so, daß ich, wäre sie ein Mensch, sagen würde, die Götter sollen ihn in Hundepisse ertränken. Welche willst du zuerst hören?«
»Die am wenigsten schlimme.« Bomilkar lehnte sich zurück und faltete die Hände hinter dem Kopf.
»Gut. Das Haus mit dem großen Garten gehört einer der alten Familien …«
»… was nicht anders denkbar war …«
»… und zwar der Sippe des Ratsherrn Jehaumilk.«
Bomilkar runzelte die Stirn. »Sagt mir nichts.«
»Er gehört zu den Dreißig – einer der Ältesten. Aber er ist schon lange krank, hält sich in einem seiner Landhäuser auf,
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