Das Gold von Sparta
»Persönliche Dinge?«
»Ja, ja. Sie haben oben gesehen.«
»Sonst nichts? Vielleicht eine Flasche mit einer französischen Aufschrift?«
»Französisch? Nein. Keine Flasche.«
Sam und Remi wechselten einen Blick. »Verdammt«, fluchte er halblaut.
»Keine Flasche«, wiederholte Andrej. »Kiste.«
»Wie bitte?«
»Französische Schrift, ja?«
»Ja.«
»Eine Kiste war im Sarg. Klein, Form wie … ein Brot?«
»Ja, das ist es«, erwiderte Remi.
Andrej ging um sie herum und durch den Gang zurück. Sam und Remi eilten ihm nach. Vor der ersten Nische neben der Treppe blieb Andrej stehen. Er kniete sich hin, beugte sich hinein, kramte herum, dann kroch er wieder heraus und hatte eine Holzkiste in der Hand, die mit kyrillischen Symbolen bedeckt war. Es war eine Munitionskiste aus dem Zweiten Weltkrieg.
Andrej öffnete den Deckel. »Dies?«
Auf halb verfaultem Leinenstoff und unter Schnurrollen, verrostetem Werkzeug und zerbeulten Farbdosen lag eine vertraut aussehende Kiste.
»Du lieber Himmel«, murmelte Sam. »Darf ich?«, wollte Remi von Andrej wissen. Er zuckte die Achseln. Sie ging in die Knie und hob die Kiste behutsam heraus. Sie drehte sie in den Händen hin und her, untersuchte jede Seite, ehe sie zu Sam hochsah und nickte.
Sam fragte: »Ist etwas …?«
»Ob etwas darin ist? Ja.«
55
Triest
Sams iPhone klingelte, und er sah auf das Display. Für Remi formte er lautlos mit dem Mund Selma und antwortete dann. »Das ist ein neuer Rekord. Sie haben weniger als zwei Stunden gebraucht.«
Sie saßen auf dem Balkon des Grand Hotel Duchi D’Aosta und schauten auf die Lichter der Piazza Unità d’Italia. Die Nacht war hereingebrochen, und sie konnten in der Ferne die blinkenden Lampen im Hafen sehen.
»Wir haben bereits elf Zeilen Rätseltext und Hunderte von Symbolen entschlüsselt«, erwiderte Selma. »Allmählich kommt es einem wie eine ganz eigene Sprache vor.«
Nachdem sie die Kiste geöffnet und sich vergewissert hatten, dass sie tatsächlich eine Flasche aus Napoleons Verschollenem Dutzend enthielt, hatten Sam und Remi vor einem Dilemma gestanden. Andrej hatte überhaupt keine Ahnung von dem Wert dessen gehabt, was seit gut zweihundert Jahren in den Katakomben seiner Familie versteckt gewesen war. Trotzdem wollten sie auf die Flasche nicht verzichten. Tatsächlich gehörte sie weder ihnen noch Andrej, sondern dem französischen Volk – sie war ein Teil seiner Geschichte.
»Das ist eine seltene und wertvolle Flasche Wein«, klärte Sam Andrej auf.
»Oh?«, erwiderte er. »Französisch, sagen Sie?«
»Ja.«
Andrej schnaubte. »Napoleon hat Tradonicos Grab gestört. Hat Flasche genommen.«
»Wir wollen Ihnen etwas dafür geben.«
Andrejs Augen verengten sich. Er massierte sein Kinn. »Dreitausend Kuna.«
Sam rechnete im Kopf um. »Etwa fünfhundert Dollar«, sagte er zu Remi.
Andrejs Augen hellten sich hinter dem stählernen Brillengestell auf. »Sie haben U. S.-Dollars?«
»Ja.«
Andrej streckte ihnen die Hand entgegen. »Wir machen Geschäft.«
Jetzt sagte Selma: »Ich habe Ihnen eben gerade das Rätsel gemailt.«
»Wir rufen Sie an, wenn wir eine Lösung haben.« Sam unterbrach die Verbindung und sah in seiner Mailbox nach. Remi schob ihren Sessel näher heran und blickte ihm über die Schulter. »Diesmal ist es ein langes«, sagte er.
Östlich des dubr
Der Dritte von sieben erhebt sich
Der König von Iovis stirbt
Alpha zu Omeg a, Savoyen zu Novar a,
Retter von Styrie
Tempel am Kreuzweg des Eroberers
Geh nach Osten zur Schüssel und finde das Zeiche n.
»Die ersten fünf Zeilen entsprechen dem Muster«, sagte Remi, »aber die letzte ist anders. Sie waren bisher noch nie so deutlich, nicht wahr?«
»Nein. Dies ist das erste Mal, dass sie ganz klar sagen: Geh dorthin und finde dies. Möglich, dass wir es bald geschafft haben, Remi.«
Sie nickte. »Dann mal ran an den Speck.«
Sie fingen genauso an wie vorher und suchten aus dem Rätsel alles zusammen, was nach Orten oder Namen aussah. Für dubr engten sie die Bezüge auf zwei mögliche Kandidaten ein: Ad Dubre, ein Dorf im Nordjemen, und dubr, ein keltisches Wort mit der Bedeutung Wasser.
»Also geht es um etwas östlich von Ad Dubr oder östlich von irgendeinem Gewässer. Was liegt östlich von Ad Dubr?«
Sam sah bei Google Earth nach. »Etwa einhundertdreißig Kilometer Berge und Wüste, dann das Rote Meer. Das erscheint nicht sehr einleuchtend. Bisher haben sich alle Orte innerhalb Europas befunden.«
Sam
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