Das Gold von Sparta
nach Osten, bevor er sich wieder nach Norden wandte. Der Baumbewuchs nahm ab, und sie erreichten eine kleine Lichtung, die mit kniehohem Gras bewachsen war. Durch die Bäume auf der anderen Seite der Lichtung konnten sie Mondlicht sehen, das von Wasser reflektiert wurde. In der Ferne ertönte ein Gong.
»Das ist eine Boje in der Lagune«, flüsterte Sam.
»Gott sei Dank. Mein Herz hat gerade zwei Schläge lang ausgesetzt.«
»Da ist doch etwas.« Sie gingen ein Stück weiter und hielten vor einem Steinquader an, der ein Stück über das Gras hinausragte. »Das muss ein Teil des Fundaments gewesen sein.«
»Da drüben, Sam.« Remi richtete den Lampenstrahl auf etwas, das sich auf der rechten Seite der Lichtung befand und wie ein Zaunpfahl aussah. Sie gingen hinüber. An dem Pfahl war eine Schrifttafel in einer Plexiglashülle befestigt.
Im neunten Jahrhundert angelegte Grabstätte der Anhänger von Pietro Tradonico, Doge von Venedig, 836 – 864. Sterbliche Überreste im Jahr 1805 exhumiert und an einen anderen Ort überführt.
– HISTORISCHE GESELLSCHAFT POVEGLIA
»Wenn Tradonico hier gelegen hat, dann ist er jetzt jedenfalls nicht mehr da«, sagte Remi.
»Im Jahr 1805 … überführt« , las Sam abermals. »Das war etwa zu der Zeit, als Napoleon zum König von Italien gekrönt wurde, nicht wahr?«
Remi fügte hinzu: »Und etwa zu der Zeit, als er Poveglia in ein Munitionsdepot umwandelte. Wenn Laurent damals bei ihm war, dann haben sie hier wahrscheinlich ihre Inspiration für das Rätsel gefunden.«
»Und sie dürften gewusst haben, wohin Tradonicos sterbliche Überreste gebracht wurden. Remi, hier hat sich niemals eine Flasche befunden. Das ganze Rätsel war nur ein Sprungbrett, um Napoleon junior woandershin zu schicken.«
»Aber wohin?«
Am nächsten Morgen hielt Sams und Remis Taxi um zwei Minuten nach acht in einer kleinen Seitenstraße zwei Blocks östlich der Kirche Santa Maria Maddalena. Sie bezahlten den Fahrer, stiegen aus und gingen zu einer roten Tür hinauf, die von einem schwarzen schmiedeeisernen Gitter eingefasst wurde. Auf einer kleinen Bronzetafel an der Wand neben der Tür war zu lesen: HISTORISCHE GESELLSCHAFT POVEGLIA.
Sam drückte auf den Klingelknopf. Sie hörten Schritte auf einem Holzfußboden, dann wurde die Tür geöffnet, und eine rundliche Frau in einem lila-gelben Kleid, das mit Blumen bedruckt war, stand vor ihnen. » Si ?«
»Buon giorno« , sagte Remi. »Parla inglese?«
»Ja. Ich spreche sogar ganz gut Englisch. Kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Sind Sie die Kuratorin?«
»Wie bitte?«
»Die Kuratorin der Historischen Gesellschaft Poveglia«, sagte Sam lächelnd und deutete auf die Bronzetafel.
Die Frau lehnte sich aus der Tür, blickte auf die Tafel, dann runzelte sie die Stirn. »Das ist sehr alt«, sagte sie. »Die Gesellschaft ist seit vier oder fünf Jahren nicht mehr zusammengekommen.«
»Weshalb?«
»Wegen dieser Geistersache. Alles, was die Leute wissen wollten, betraf immer nur das Krankenhaus und die Pestgräber. Die restliche Geschichte der Insel interessierte niemanden. Ich war die Sekretärin. Rosella Bernardi.«
»Vielleicht können Sie uns ja helfen«, sagte Remi. Sie stellte sich und Sam vor. »Wir haben ein paar Fragen zu Poveglia.«
Signora Bernardi zuckte die Achseln, winkte sie herein und führte sie durch einen Flur in eine Küche, die mit schwarz-weißen Fliesen im Schachbrettmuster dekoriert war. »Setzen Sie sich. Ich habe gerade einen Kaffee aufgebrüht.« Sie deutete zum Küchentisch. Dann füllte sie drei Tassen aus einer silbernen Kaffeemaschine und setzte sich ebenfalls. »Was wollen Sie denn wissen?«
»Wir interessieren uns für Pietro Tradonico«, sagte Sam. »Wissen Sie, ob er in Poveglia beerdigt wurde?«
Signora Bernardi erhob sich, durchquerte die Küche und öffnete einen Wandschrank über der Spüle. Sie holte etwas hervor, das wie ein in Leder gebundenes Fotoalbum aussah, und kehrte damit zu dem Tisch zurück. Sie schlug das Album auf einer Seite ziemlich in der Mitte auf. Unter einer Kunststofffolie befand sich ein vergilbtes Blatt Papier mit einem Dutzend Zeilen handschriftlicher Notizen.
»Ist das ein originales Dokument?«, fragte Remi.
»Si. Dies sind die Ergebnisse der Volkszählung, die von der Regierung im Jahr 1805 durchgeführt worden ist. Als Napoleon die Insel annektierte, hatte die Regierung nichts Eiligeres zu tun, als ihre wechselvolle Geschichte auszuradieren.«
»Wozu auch die von Tradonico und
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