Das Gold von Sparta
sich nur fünf Meter freies Seil; der Rest trieb in der Strömung. Sam zog drei Meter Seil ein, fertigte daraus ein Hüftgeschirr und legte, wobei er sich nur auf seinen Tastsinn verließ, einen Webeleinenknoten um seinen Gürtel und das verknotete Ende der Fangleine. Während er mit der rechten Hand die Leine über seinem Kopf umfasste, zog er an der Befreiungsschlinge des Geschirrs. Mit einem schmatzenden Schwirren spannte sich das Seil. Es stieg von der Wasseroberfläche hoch, zitterte einige Sekunden lang und kam dann zur Ruhe.
»Ich glaube, das wird halten«, rief Sam, kletterte dann am Seil empor und rollte sich neben Remi auf die Plattform. Sie umarmte ihn, während ihm Strähnen ihres feuchten Haars ins Gesicht fielen.
»Ich denke, die Schüsse haben unsere Frage beantwortet«, flüsterte sie.
»Das würde ich auch meinen.«
»Bist du sicher, dass du nicht getroffen wurdest?«, fragte Remi, und ihre Hände betasteten seine Brust, seine Arme und seinen Bauch.
»Ich bin ganz sicher.«
»Wir sollten lieber zusehen, dass wir weiterkommen. Irgendetwas sagt mir, dass sie noch keine Ruhe geben werden.«
Während Sam einerseits wusste, dass Remi höchstwahrscheinlich recht hatte, so wusste er doch auch, dass sie nur wenige Optionen hatten: auf dem Weg hinausgehen, auf dem sie hereingekommen waren, einen anderen Weg suchen, kämpfen oder sich verstecken. Die erste Option kam nicht in Frage – damit würden sie ihren Verfolgern direkt in die Hände spielen; die zweite Möglichkeit – sie trug ein dickes Fragezeichen, denn dieses Höhlensystem konnte für sie auch eine Sackgasse bedeuten; an die dritte Möglichkeit war ebenfalls nicht zu denken. Während sie nur mit dem .38er Revolver von Guido, dem Schuhmacher, bewaffnet waren, konnten Cholkow und seine Männer mit Sturmgewehren aufwarten. Die vierte Möglichkeit – sich zu verstecken – bot ihnen vielleicht die einzige Chance, lebend aus dieser Situation herauszukommen.
Die Frage war nur, wie lange ihre Verfolger warten würden, bevor sie ihnen folgten. Ein Vorteil war allerdings auf ihrer Seite, erkannte Sam, als er auf die Uhr sah. Die Flutphase war beendet, in ein paar Minuten würde sich die Strömung umkehren und nach draußen drücken und somit ein Eindringen erheblich erschweren.
»Das soll also ein provisorischer geheimer U-Boot-Bunker der Nazis gewesen sein«, sagte Remi und legte die letzten Teile ihrer Tauchausrüstung ab.
»Wahrscheinlich, aber Genaueres können wir nicht sagen, ehe wir …«
»Nein, Sam, das war gar nicht als Frage gemeint. Sieh doch.«
Sam drehte sich um. Remi richtete die Taschenlampe auf die Felswand über dem Pier. Aus gehämmertem Blech und einer Farbe, die schon vor langer Zeit ihre Leuchtkraft eingebüßt hatte, selbst gebastelt, war das rechteckige, anderthalb mal ein Meter große Schild eindeutig zu erkennen.
»Die Naziflagge der Kriegsmarine«, flüsterte Sam. Bei seiner eiligen Überprüfung der Höhle hatte er sie übersehen. »Ich vermute, sie werden sich hier richtig zu Hause gefühlt haben.«
Remi lachte.
Indem sie ganz vorsichtig immer nur einen Schritt nach dem anderen machten und auf schwache Punkte achteten, während sie ihren Weg fortsetzten, überwanden sie den Laufgang zum Pier. Abgesehen von einigen zermürbenden Ächz- und Knacklauten hielten die Holzplanken der Belastung stand. Die Kabel, wenn auch mit einer dicken Rußschicht bedeckt, erwiesen sich als ebenso solide. Sie waren mit daumendicken Stahlbolzen an den Wänden und an der Decke befestigt. Begleitet von dem Lichtstrahl aus Remis Taschenlampe überquerte Sam den Laufgang, schnappte sich das Seil und kehrte auf den Pier zurück. Dabei zog er das abgesoffene Dingi hinter sich her. Gemeinsam hievten sie es auf den Pier. Während das Dingi selbst völlig zerfetzt war, hatten der Motor und der Treibstofftank nur ein paar Streifschüsse abbekommen und waren intakt. Ähnliches traf auch auf die Schutzsäcke zu: Einer war von einem Dutzend oder mehr Kugeln durchlöchert worden, während der andere unversehrt geblieben schien.
»Wir gehen das alles sorgfältig durch und werden sehen, was wir davon retten können«, entschied Sam.
Sie gingen zum Ende des Piers, um sich die hintere Höhlenwand genauer anzuschauen. Die zweite Höhle war, wie Sam schon vermutet hatte, durch Verwerfungen und Risse im Untergrund entstanden. Während tausende von Jahren Wassererosion die Wände der Haupthöhle geglättet hatten, wies die zweite Kammer schartige und
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