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Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Fischer-Fabian
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Kind,
die Kaffeesahne nochmal 30, macht insgesamt 380, bleiben genau 170 für den Rest
von Lissabon. Und das reicht gerade für 100 Gramm Portwein oder für ein Vollei,
roh.«
    Sie schaut auf Erikas
ungläubiges Gesicht, öffnet ihre große Umhängetasche und holt eine Briefwaage
heraus. »Wir können ja nachwiegen.«
    Erika schiebt die Waage zur
Seite, als sei die Waage geladen und entsichert. Ihr Mund mit den kleinen
weißen Perlzähnen schmollt schmollender denn je. »Wir sind aber jetzt beinah
vier Stunden durch diese Stadt gelatscht, und bei einer Stunde Spazierengehen verbrennt
der Mensch 100 Kalorien, hat der Doktor neulich gesagt, da hätt’ ich noch 400
gut, Mamusch.«
    »Was der Doktor gesagt hat, das
kannst du hier schwarz auf weiß nachlesen. Wenn du es schon wieder vergessen
haben solltest.« Sie nimmt den hektographierten Zettel zur Hand, »...›darf ich
bei erwachsenen Menschen doch wohl voraussetzen, daß sie bei einem einzigen
Landaufenthalt nicht das aufs Spiel zu setzen gewillt sind, was sie in harten
Fastentagen ihrem Körper abgerungen, hieße das doch, sich um den Lohn eigener
Mühen zu betrügen‹. Sagt der Doktor. ›Außerdem darf ich die verehrten Damen und
Herren darauf aufmerksam machen, daß unmittelbar nach Wiederbetreten des
Schiffes ein Wiegen stattfindet‹. Das sagt er auch noch.«
    »Ich denke, die Waage stimmt
nicht.«
    »Waage hin, Waage her. Fest
steht, daß du bis jetzt kein Pfund losgeworden bist. Und wenn es nicht die
Drüsen sind, dann frage ich mich, was ist es dann? Du ißt doch nicht etwa
heimlich? Natürlich ißt du nicht heimlich, du weißt ja, worum es geht.«
    Frau Radkes Stimme geht in ein
leichtes Tremolo über. »...der Gedanke, daß wir in einem Jahr in New York sind
und daß der Notar dann sagt: ›Miß Radke, Sie haben verloren. Busen, Bauch und
Hüfte gleich 90 — 60 — 90, davon sehe ich nichts bei Ihnen, nach wie vor sehe
ich davon nichts, und wissen Sie, wer gewonnen hat, Miß Radke? Ihre Kusine
Beatrix hat gewonnen, fünf Komma acht Millionen Dollar hat sie gewonnen.«
    Erika sieht, daß ihre Mutter
Tränen in den Augen hat und kriegt ein schlechtes Gewissen. Das erste, was ich
tue, denkt sie, ich schmeiß die Himbeerbonbons (gefüllt) über Bord und die
Krokantsplitter (mit Glasur) und Fridolin’s Katzenzungen (aus reiner
Alpenvollmilch) auch.
     
    Trixi sitzt auf der Terrasse
des Café Tofa in der Rua Aurea und schaut auf ihre Armbanduhr. »Zehn nach
vier«, sagt sie, »um vier wollte er mich abholen. Wie lange darf man eigentlich
warten auf einen Mann?«
    Die Schwestern Nielsen gucken
sich an und denken nach.
    »Es rischtet sisch nach dem
Manne«, sagt Kerstin schließlich, »bei Monsieur Cantal würde isch sagen, die
Hälfte einer Stunde ist nischt ssu viel. Es lohnt sisch, das heißt, er lohnt
sisch.«
    Alle drei Schwestern Nielsen
müssen schrecklisch lachen. Sie haben auch schon schrecklisch viel Wein
getrunken, weil heute ihr Wein-Tag ist.
    Trixi trinkt keinen, sondern
einen Aufguß aus Eisenkraut und Pfefferminz, ein portugiesisches Hausmittel,
das gut sein soll gegen die Nachwehen einer Seekrankheit. Sie nippt an der
trüben Brühe, die nach zwei Apotheken schmeckt und guckt sich die Passanten an.
Über die Rua Aurea braust der Verkehr in Richtung der Plaça Dom Pedro IV., des
Herzens von Lissabon. »Seculo!« schreien die Zeitungsjungen, »O Noticias! Olha
o Janeiro!« Die Trillerpfeife des Verkehrspolizisten schrillt unaufhörlich.
    Viertel nach vier.
    Zwanzig nach vier.
    Gleich halb fünf.
    Trixi spürt, wie sie kribblig
wird. Wenn sie kribblig wird, muß sie mal. »Entschuldigt mich für einen
Moment«, sagt sie zu den Nielsens und nimmt ihr Täschchen.
    Sie taucht in das kühle
Halbdunkel des Kaffeehauses und sucht nach einer Tür, auf der »Senhoras« steht.
Es ist ihr peinlich, einen Ober danach zu fragen. Sie wendet sich an zwei
Damen, die am Küchenbüfett sitzen und Deutsch miteinander sprechen.
    »Sie werden verzeihen«, fragt
sie, »aber wo sind hier die Toiletten?«
    »Hinten rechts die Treppe
‘runter«, sagt die jüngere der beiden und guckt nicht auf von ihrem Teller.
    »Danke schön«, sagt Trixi und
geht nach hinten rechts.
    »Trixi!« Der Schrei bleibt wie
ein Pfeil in ihrem Rücken stecken. Sie dreht sich um und stakst steif wie ein
Roboter an den Tisch der beiden Damen zurück.
    »Tante Annegret! Erika!« ruft
sie und ist perplex.
    »Beatrix! Trixi!« rufen die
Radkes und sind es auch.
    »Na, ist das ein Witz, wie
kommt

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