Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
portugiesische Worte mit dem Kutscher. Der
nickt eifrig, biegt nach rechts ab, hält vor einem halbzerfallenen Gartentor.
»Wie geht so? Wie geht so?«, sagt er, und es paßt wieder nicht.
Da ist eine Bank von Stein und
ein Tisch von Stein und ein Blick, der einem den Atem verschlägt. In der flirrenden
Luft hört man das Rascheln der Eidechsen. Grillen zirpen. René Cantal holt die
Köstlichkeiten Portugals aus seinem Picknick-Korb, als sei es eine Wundertüte.
Sie essen Rauchschinken aus
Chaves und Thunfischfilets und gepökelte Schweinsfüße mit jungen
Rübenschößlingen und in Essig eingelegte Neunaugen und geräucherte Zunge aus
Minho und Käsekuchen mit Orangen und Oliven, Sardinen, gezuckerte weiche Eier
und Fruta coberta, die kandierten Früchte portugiesischer Meisterbäcker.
René tischt auf, nötigt, legt
nach, gießt immer wieder ein von dem würzigen Bastardino, der aus den Bergen
Estremaduras stammt. »Ein Sirupkarpfen wird noch Platz haben«, meint er und
holt einen Pfannkuchen aus seiner Wundertüte.
Es ist ein Wahnsinn, was der
hier mit mir macht, denkt Trixi, und überhaupt nicht in meinem Sinne. Und doch
ist es herrlich, daß er es macht. Wüßte er nämlich von dem Testament, so
schließt sie messerscharf und kauend, würde er mich nicht mästen. Er würde die
Gans nicht nudeln, die goldene Eier legen soll. Dieser Stutterbold, der ist ja
bloß eifersüchtig. Wie kam der überhaupt auf die »Aphrodite«? Und die Radkes,
wo hatten die den Tip her mit dem Schlankheitsschiff? Tante Annegret und
Stutterbold, die steckten unter einer Decke, was bildlich gesehen eine sehr
komische Vorstellung war. Aber komisch ist ja alles gewesen, die ganze Szene
vorhin in diesem Café: Das empörte Gesicht von Tante Annegret, als sie erfuhr,
daß Beatrix auch mit an Bord war; das ratlose Gesicht des Monsieur Cantal, der
nicht wußte, wer wen kennt und warum und wieso; ihr eigenes Gesicht muß auch
nicht gerade geistreich ausgesehen haben.
Dann spürt sie eine Hand auf
ihrer Hand, irgendwo am Rücken kribbelt es, ein Arm legt sich um ihre Schulter,
sie wehrt sich nicht, man soll sich nicht wehren, wenn es so schön kribbelt,
sein Rasierwasser, hmmm, riecht gut, alles ist gut.
»Ich könnte schnurren«, will
sie sagen, aber es spricht sich so schlecht, wenn man geküßt wird.
Er küßt sie auf die Augen, auf
die Wangen, auf die Lippen, auf den Hals. Er sagt: »Du bist schön, Trixi.«
Sie antwortet: »Ich bin zu
dick, René.«
Er sagt: »Aber nicht für mich,
Trixi.«
Sie antwortet: »Aber für meine
tote Tante, René.«
Er sagt: »Vorhin, in diesem
Café, da kam sie mir ziemlich lebendig vor, Trixi.«
Sie antwortet: »Das war ja auch
meine lebende Tante. Ich hab’ aber noch ‘ne tote in New York. René.«
Er verwuschelt ihr das Haar,
pustet ihr in den Nacken, küßt sie wieder, diesmal aufs Ohr. Er sagt sehr
langsam und sehr deutlich: »‘ne tote Tante aus Amerika wünscht, daß du
schlanker wirst. Ist es so, Trixi?«
Sie antwortet: »Es ist so,
René.« Und küßt zur Abwechslung einmal ihn.
René Cantal, der Erste Offizier
des 15 000-Tonnen-Liners »Aphrodite«, kennt alle sieben Weltmeere und hat die
Welt mehr als siebzigmal umfahren. Ihm ist nichts Menschliches fremd und
Weibliches schon gar nicht. Exzentrische Millionärinnen waren sein täglich
Brot. Aber aus diesem jungen Mädchen hier wird er nicht klug: Das ist lieb,
witzig, vernünftig, hat einen so wachen Verstand und trotzdem..., trotzdem. Ein
ziemlich starkes »Trotzdem« ist zum Beispiel dieser Stutterbock oder
Stotterbord, oder wie auch immer er heißen mag.
»Wer war das eigentlich, der
Mensch mit dem Schnurrbart?« fragt Cantal, zieht die Unterlippe zurück und
versucht so zu sprechen, wie ein Mensch spricht, der Raffzähne hat. »Der hat
doch ganz schön Süßholz geraspelt mit Ihnen?«
»Warum siezt du mich,
Monsieur?« sagt Trixi und freut sich irrsinnig. Der ist ja eifersüchtig,
eifersüchtig wie ein Oberschüler. Jetzt kribbelt es auch an ihrem Bauchnabel.
»Hat er eben mit dir geraspelt, aber geraspelt hat er, also wer ist das?«
»Das ist der Privatsekretär von
meiner toten Tante. Er hat Mrs. Brown beerbt und Mr. Smith.«
»Verstehe«, sagt Cantal und
wird langsam sauer. »Du hättest Märchentante werden sollen.«
»Ich erzähle dir keine Märchen,
René.« Sie probiert noch einmal, wie schön sein Rasierwasser riecht. Himmel,
kann der küssen, ich ersticke, er bringt mich um, wie schön, so ein bißchen
umgebracht zu
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