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Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Fischer-Fabian
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ausgerechnet«,
sagt der Greifer und fängt beinah an zu weinen.
    »Wieviel Kalorien haben Sie
eigentlich noch?« fragt Hügeli.
    »Neunundvierzig.«
    »Also ein kleiner Apfel. Oder
eine mittlere Apfelsine.«
    »Ich esse kein Obst«, sagt der
Greifer und wirkt verbittert. Er winkt das Taubenmütterchen heran und kauft
eine Tüte Futter. Aggressiv schnippt er die Maiskörner in den Taubenschwarm auf
dem Pflaster.
    »Gefüllte Tauben in
feingewiegten Kräutern mit einer Füllung von...« Hügelis Rezept erstirbt in
undeutlichem Gemurmel, als er den flehenden Blick des Greifers auffängt.
    Er zuckt resigniert mit den
Achseln, faßt in die Rocktasche und holt einen Brief heraus. Sie waren
nachmittags an Praça do Comércio und hatten am Poste-restante-Schalter ihre
Post abgeholt. Hügeli liest seinen Brief zum vierzehntenmal. Er stammt von Fee.
Fee schreibt, wie sehr sie ihn um die herrliche Schiffsreise beneidet, wie sehr
sie hofft, daß er von seinen 230 Pfund schon was ‘runter hat, wie sehr sie sich
auf die Ehe mit einem schlanken Mann freut.
    »...Deine Anzüge und deine
Seidenhemden«, liest Hügeli laut vor, »habe ich alle zu Declaire gegeben zum
Ändern. Ich nehme an, du wirst 54 haben, wenn du wiederkommst, mein Yoghibärle,
und... na und so weiter.«
    »Welche Größe haben Sie
momentan?«
    »60«, sagt Hügeli kleinlaut. Er
muß an Mulle denken, mit der er 18 Jahre verheiratet war. Mulle hätte seine
Anzüge nicht zum Ändern weggegeben. Sie hatte ja selbst Größe 58. Aber das war
nun aus und vorbei...
    »Sie sollten kein Mannequin
heiraten«, sagt der Greifer, der jahrelang mit einem Mannequin liiert war. »Die
sind immer nur schlecht gelaunt. Weil sie nichts dürfen. Rein gar nichts dürfen
die.«
    »Fee wird nicht mehr Mannequin
sein, wenn wir geheiratet haben.«
    »Dann wird sie Ihnen jeden Tag
in den Ohren liegen, daß sie mal ein Mannequin war, und was für eines.
Nee.« Der Greifer nimmt jetzt selbst ein Maiskorn und kaut nachdenklich vor
sich hin.
    »Also wenn Sie mich fragen...«
    »Ich frage Sie aber nicht«,
meint Hügeli bockig. Er beobachtet die Tauben, mit welcher Gier sie die Körner
aufpicken und kann plötzlich keine Tauben mehr leiden.
    »Ärgern Sie sich nicht mehr
über Ihren Brief da. Ich habe meinen Ärger auch schon ‘runtergeschluckt. Wenn
man schon sonst nichts zum Schlucken kriegt.« Der Greifer nimmt sich noch ein
Körnchen Mais. »Wissen Sie, was ein Treatment ist? Sie wissen es nicht. Egal.
Jedenfalls hat mir mein Producer heute eines geschickt. Für Folge 84. ›Der
Greifer und die Rattern spielt fast ausschließlich in der Kanalisation. Da ist
eine Szene drin, kann ich Ihnen sagen...«
    Er zieht das DIN-A5-Kuvert aus
der Tasche und blättert in einem mit Schreibmaschine geschriebenen Manuskript.
»Hier ist sie, Szene 23. ›Rückseite des Lagerhauses. Außen. Nacht. Der Greifer wuchtet
den Schleusendeckel hoch, sieht sich nach allen Seiten um und zwängt sich in
die Kanalröhre.‹ Wissen Sie, was mir mein Producer da ‘reingeschrieben hat?«
    »›Die Röhre‹, hat er
‘rangeschrieben, weist einen Durchmesser von 110 Zentimetern auf. Wie groß ist
dein Durchmesser zur Zeit?‹«
    Hügeli schlägt sich prustend
auf die Oberschenkel. Der mächtige Körper wird geschüttelt von einem kollernden
Lachen.
    »So komisch finde ich es auch
wieder nicht. Immerhin hängt meine Existenz davon ab.«
    »Von Ihrem Durchmesser hängt
sie ab, ich weiß.« Beatus Hügeli zieht sein seidenes Taschentuch aus der
Brusttasche und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Lachen strengt ihn immer
so an. Der Greifer schüttet den Rest seiner Futtertüte auf das Pflaster und
guckt beleidigt.
    »Im Grunde«, lenkt Hügeli ein,
»im Grunde geht es mir nicht anders. Was die Existenz betrifft. Fee oder nicht
Fee, das ist für mich eine Frage, die kann über mein ganzes Leben entscheiden.
Manchmal krieg ich richtig Angst davor. Dann sage ich mir: ›Beatus‹, sage ich,
›steig aus aus der ganzen Sache, geh nach Hause und ernähre dich redlich, so
wie du es immer getan hast.‹ Zwei Passagiere haben übrigens schon gepaßt. Sind
mit Sack und Pack von Bord. Essig-und-Obst-Leute waren es.«
    »Bei Essig-und-Obst hätte ich
auch schon gepaßt.« Der Greifer richtet sich plötzlich auf und weist mit dem
Kinn in Richtung Hotel Metropol. »Wenn jemand auf gar keinen Fall aufgeben
wird, dann ist es diese Dame dort.«
    Hügeli folgt seinem Blick. Er
sieht eine wohlproportionierte Dame in bestem Alter, die mit

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