Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
Welt geliebter
Fernsehstar flirtet mit ihr, nennt sie wiederholt »meine liebe angebetete Frau
Annegret«, stellt eine gewisse Ähnlichkeit fest zwischen ihr und Gina Lollobrigida,
überreicht ihr mit Handkuß eine kostbare Blume. Und all das in einer lauen
Sommernacht, am Rande eines magisch beleuchteten Brunnens, mitten im Herzen der
Stadt Lissabon!
»Ich muß es Erika erzählen«,
denkt sie und eilt beschwingten Schrittes die Treppe zum Bootsdeck empor, »ich
muß es Stutterbold erzählen, ich muß es dem Ersten Offizier erzählen, allen
allen muß ich es erzählen.«
»Boooo— aaaaahhhhh!« macht die
Sirene der »Aphrodite«. Frau Radke ist in der nötigen Stimmung, um aus ihrem
Ton etwas herauszuhören. Etwas, was nach geheimnisumwitterter Ferne klingt,
nach lockenden Abenteuern unter dem Kreuz des Südens, nach unergründlichen
Tiefen.
Das Ankerspill rattert. Die
beiden bulligen Schlepper übernehmen die Leinen, langsam tauen sie das Schiff vom
Kai ab und bugsieren es ins Fahrwasser. Wieder heult die Sirene: Der vordere
Schlepper wirft los, die »Aphrodite« gleitet mit eigener Kraft aus der
Hafeneinfahrt. Der vertraute Klang der Schiffsmaschinen ertönt, und alle
Passagiere fühlen sich auf unerklärliche Weise heimisch und geborgen.
Annegret Radke stürmt in die
Kabine von James P. Stutterbold, ohne anzuklopfen. »Wie geht es Ihnen?« fragt
sie und beantwortet sich ihre Frage wie üblich selbst: »Na, schon viel, viel
besser, wie ich sehe.«
»Wenn Sie meinen«, sagt
Stutterbold. Er will sich im Bett aufrichten, sackt aber mit einem wehen Laut
wieder zusammen.
»Pflegst du ihn auch gut,
Ekalein?« Sie wendet sich an ihre Tochter, die auf einem Stuhl neben dem Bett
sitzt. »Natürlich pflegst du ihn gut. Schließlich hast du mal einen
Erste-Hilfe-Kurs gemacht. Was hat er denn überhaupt? Selber schuld natürlich,
wer rennt schon bei Windstärke 8, oder war es 9, nun ist ja auch egal, wer
rennt da schon auf dem Deck herum, also was ist nun eigentlich passiert, ich muß
schon sagen...«
»Er ist auf eine Thermosflasche
gefallen. Mit dem Steißbein«, sagt Erika und beißt sich auf die Lippen. Sie
möchte so gern lachen, aber sie traut sich nicht. Der Mr. Stutterbold, hat ihr
die Mutter immer wieder eingeschärft, ist Schlankheitsexperte. Sein Rat könnte
das Rennen entscheiden, seine Tips ausschlaggebend sein, und zwar für Fünnef
Komma acht, Millionen wohlgemerkt! Und Dollars wohlgemerkt! Man mußte sich das
gelegentlich vor Augen halten, sonst glaubte man es immer noch nicht.
»Thermosflasche?« fragt Frau
Radke und ist für einen Moment irritiert. Welcher Mensch, du liebes bißchen,
fällt an Bord eines 15 000-Tonnen-Luxusdampfers auf Thermosflaschen?
Sie zückt ihre Stielbrille und
inspiziert den Raum. Dabei entdeckt sie Mrs. Brown und Mr. Miller. Die beiden
Möpse liegen zu Füßen des Patienten und frönen ihrem Hobby, einem ausgedehnten
Schläfchen.
»Ei, ei, ei, unsre beiden süßen
Hundibundi.« Sie spricht eine Art Babysprache, weil sie glaubt, daß Hunde so was
mögen. Sie krault die Möpse am Hals und schaut Stutterbold dabei an. »Wissen
Sie, wen wir getroffen haben in Lissabon, lieber Stutterbold? Ach, Sie wissen
es schon, natürlich, Eka wird es Ihnen erzählt haben. Was mich nun brennend
interessiert, woher wußte meine Nichte das mit dem Schlankheitskreuzer, ich
meine, irgend jemand muß es ihr erzählt haben, wer aber, wer?« Und diesmal
wartet sie auf die Antwort.
»Glauben Sie etwa ich ?«
Stutterbold entschließt sich nach kurzem Zögern für eine Mischung aus Wehleidigkeit
und Empörung.
»Sie sagen, daß meine Nichte
irgendwas mit Weizenbrei vorhatte, zu Hause bei ihren Eltern, wenn ich nicht
irre.«
»Dann wird Ihre Nichte wohl
gelogen haben, Mrs. Radke«, lügt er.
»In unserer Verwandtschaft wird
nicht gelogen, Mr. Stutterbold«, lügt sie.
»Gelogen hin, gelogen her,
jedenfalls ist Trixi an Bord«, sagt Erika. »Und ehrlich gesagt, ich find’s
prima. Da weiß man doch, woran man ist.«
Stutterbold richtet sich auf
und hat plötzlich keine Schmerzen mehr. Er schaut Erika dankbar an. »Bravo,
bravo. Ihre Tochter beweist gesunden Menschenverstand. Miß Beatrix ist jetzt
sichtbare Konkurrenz, sichtbar und meßbar, wenn ich mich mal so ausdrücken
darf. Und Konkurrenz beflügelt. Jeder weiß nach jedem Wiegenfest, wie das
Rennen steht, und was er bringen, oder sagen wir besser, schmeißen muß.«
»Nun ja«, sagt die Radken noch
nicht ganz überzeugt, »trotzdem hätte
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