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Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Fischer-Fabian
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wiederholt ein weit hörbares
Na-das-kann-die-doch-nun-wirklich-nicht-mehr-tragen. Die Herren Offiziere
bevorzugen Galauniformen, die so weiß sind, daß selbst Waschmittelfirmen dazu
nichts mehr einfallen würde.
    Auf der »Aphrodite« steht das
Bordfest unter dem Motto »1 000 Pfund zuviel an Bord«. Die Bordkapelle spielt
mit Ausdauer den Schlager »Wir wollen niemals auseinandergehn«. Sie spielt ihn
schön, und sie spielt ihn laut. So schön laut, daß auch der letzte Passagier
inzwischen den feinen Doppelsinn mitgekriegt hat.
    Nur Beatus Hügeli hat nichts
mitgekriegt.
    »Damit ist die Figur gemeint,
das Aus-ein-ander-gehn der Figur«, brüllt Kerstin Nielsen ihm zu und wölbt
beide Hände zu einem imaginären Bauch.
    »Gehen? Warum denn schon
gehen?« brüllt Hügeli zurück und legt seinen Arm um alle drei Nielsens
gleichzeitig. Dänemarks gut gepolsterte Vertreterinnen, normalerweise
zweitklassig, dürfen heute erstklassig sein. Bei Bordfesten kennt man keine
Klassen mehr, sondern nur noch (zahlende) Gäste. Weil bei Bordfesten viel
verzehrt wird. Selbst auf der »Aphrodite«.
    »Ich meine doch...«, brüllen
die Nielsens jetzt dreistimmig, aber sie kommen nicht dazu, zu sagen, was sie
meinen, weil die Kapelle »tataa-tataa-tataa« macht. »Tataa-tataa« ist ein Tusch
und beendet bekanntlich jedwede Unterhaltung und sonstigen Lärm.
    Der Schiffsdoktor steht auf dem
Podium und hebt sein Glas (in dem guter alter Portwein ist) zum x-ten Mal auf
die Schlankheit und gegen die Korpulenz. Hinter ihm hängt ein Transparent mit
der Aufschrift: »Laß ab vom Schlemmen, wisse, daß das Grab dir dreimal weiter
gähnt als andern Menschen. Shakespeare.«
    Der Doktor ist trotz dieser
Mahnung heute Hahn im Korbe. Allen Passagieren hat er eine Sonderzuteilung von
1 000 Kalorien zukommen lassen. Außerdem hat er das Festmenü komponiert. Mit
jener Harmonie, die den Einklang wahrt zwischen Geschmacks-Reichtum und
Kalorien-Armut.
    »Genuß ohne Reue«, steht in
goldenen Buchstaben oben auf der Menükarte. Darunter steht die Reihenfolge der
einzelnen Gänge:
     
    Krabbencocktail in Rahm und
Madeira 150 Kal.
    Spargel mit geräucherter
Kalbszunge    250 Kal,
    Soufflée in Grand Marnier
                      250
Kal.
    1 Scheibe Emmentaler plus
Cracker       150 Kal.
    1 Tasse Kaffee, schwarz, mit
oder ohne Süßstoff 0 Kal.
    2 Glas Wein
                                                 140
Kal.
    Kaloriengesamtzahl
                                  940
Kal.
    (frei verfügbarer Rest
                                 60
Kal.)
     
    Unten auf der Menükarte hieß
es: »Wer von den Passagieren nachweislich 1 Stunde radgefahren oder
trockengerudert ist, darf einen zusätzlichen Bonus von 400 Kalorien
beanspruchen.«
    »Und wieviel kriegt man für
zwei Stunden Flirten, liebste Annegret?« fragt der Greifer, der längst das
»Frau« weggelassen hat, und greift nach Annegret Radkes leicht verschwitztem
Händchen.
    Sie schlägt ihm sanft mit einer
nährstoffarmen Salzbrezel auf die Finger. »Eiweiß und Liebe, ich muß doch sehr
bitten, mein Lieber.«
    Der Greifer verschärft seine
Attacke und rückt etwas näher wird aber durch ein erneutes Tataa-Tataa gestört.
Es ist der unvermeidliche Schiffsdoktor. Seine Stimme kommt gurgelnd, krächzend
und kieksend. Man sieht ihn am Mikrofon herumhantieren. Man versteht etwas von
»Siegerin« und »1. Preis«. Er hält den Arm eines jungen Mädchens hoch wie ein
Ringrichter den Arm eines Boxchampions.
    »Das ist doch meine Nichte«,
sagt Frau Radke und zückt beunruhigt die Stielbrille.
    »...Und worauf führen Sie Ihre
rapide Gewichtsabnahme zurück, Fräulein Sommer?« setzt die Übertragungsanlage
mit der Stimme des Schiffsarztes wieder ein. Er schaut seine Musterpatientin
erwartungsvoll an.
    Trixi schnappt sich das Mikro.
»Auf die Seekrankheit«, sagt sie. Und denkt, ich habe ja nächtelang die Fische
gefüttert. Ein Beifallssturm ist die Folge. Sie kassiert ihn mit einem
vollendeten Knicks und sieht ganz besonders lieb aus in diesem Moment.
    »Köstlich«, sagt der Doktor und
findet die Antwort nicht köstlich. Mit gequältem Lächeln drapiert er Trixi mit
einer goldenen Schärpe und drückt ihr eine verkleinerte Nachbildung der Venus
von Milo in die Hand.
    Er setzt sich wieder an seinen
Tisch und sagt zum Steward: »Ein Steak, bitte, schön blutig. Und

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