Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Fischer-Fabian
Vom Netzwerk:
mit viel viel
Zwiebeln.« Bei starken Gemütsbewegungen kriegt er immer so’n Appetit.
    Trixi walzt inzwischen über das
Parkett. Und zwar am Arm des Kapitäns. Es ist ein Ehrenwalzer.
    »Warum tanzt sie Walzer mit dem
Kapitän?« fragt Frau Radke, die es noch immer nicht glauben will, was sich da
abspielt.
    »Weil man sie zur Miß Aphrodite
gewählt hat, Mamusch«, sagt Erika.
    »Und wer wird so was?«
    »Wer bis jetzt am meisten
abgenommen hat, der wird so was.«
    »Und das sagst du so, einfach
so.«
    »Wie soll ich es denn sonst
sagen?« Erika schaut mit ihren himmelblauen Augen in Richtung Plafond und ist
bockig wie ein dickes Baby.
    »An deiner Stelle würde ich ein
bißchen kleinlauter sein. Schließlich könntest du dort oben auf dem
Podium stehen, meine Liebe. Aber natürlich, wenn jemand heimlich
Himbeerbonbons…«
    »Nun fang doch nicht schon
wieder davon an, Mamusch.« Sie stöhnt auf und schielt im gleichen Moment auf
die halbe Scheibe Emmentaler (75 Kal.), die auf dem Teller des Greifers
übriggeblieben ist. Von dem gesamten Menü war ihr zur Strafe nur »1 Tasse
Kaffee, schwarz, mit Süßstoff« bewilligt worden, und ihr Magen knurrt wie ein
Rudel Wölfe im russischen Winter. »Ein Scheibchen in Ehren«, sagt der Greifer,
der Erikas Blick bemerkt hat und schiebt den Teller zu ihr ‘rüber, »kann
niemand verwehren.«
    »Aber ich!« Frau Radke nimmt
ihm den Teller weg und setzt ihn hörbar zurück auf den Tisch. Der Greifer fiel
ihr plötzlich ganz schön auf den Wecker (»Meine liebste Annegret ist die
Königin des Abends.«
    »Mir ist, als kennten wir uns
schon seit Ewigkeiten, liebste Annegret.«
    »Wenn Sie nur ahnten, was ich
hier drinnen empfinde, liebe, liebe Annegret.«) Komplimente hin, Komplimente
her, beim Geld hörte der Spaß auf.
    »Guck mal, der Stutterbold«,
sagt Erika in diesem Moment. »Der hat sich aber schnell erholt.«
    Frau Annegret schaut auf die
Tanzfläche, und was sie sieht, macht sie nicht froher. James P. Stutterbold hat
Beatrix abgeklatscht. Direkt aus den Händen des Kapitäns. Noch warm sozusagen.
In seinem bordeauxroten Frack schwebt er mit ihr über das Parkett, als habe
sein Steißbein nie eine Thermosflasche gekannt.
    Die Ratte verläßt das sinkende
Schiff, denkt Frau Annegret, aber die Ratte soll sich irren, wenn sie glaubt,
daß wir sinken. Wir sinken nicht, wir kommen jetzt erst in Fahrt. »Entschuldigt
mich«, sagt sie, erhebt sich abrupt und verläßt den Tisch. In ihrem Gesicht
liegt düstere Entschlossenheit.
    »Was die Mamusch für ein
Gesicht macht«, sagt Erika irritiert.
    »Wie Lucrezia Borgia, als sie
sich anschickte, ihre Nebenbuhlerin zu vergiften«, versucht der Greifer einen
Scherz, aber Erika kann nicht darüber lachen.
    Die Küche, wo haben die die
Küche versteckt, auf diesem schrecklichen Dampfer? Frau Radke hastet durch Gänge,
steigt Treppen, fragt, verirrt sich, steht ratlos vor Schildern und Pfeilen,
landet schließlich mittschiffs vor einer Eisentür, die die Aufschrift trägt:
»Zutritt für Passagiere strengstens untersagt.«
    Sie reißt die Tür auf, Dampf
wallt ihr entgegen, Maschinen surren, Teller klappern, ein Gewirr von Röhren.
In der Ecke steht ein Neger und reinigt laut singend Kochtöpfe.
    »Wo Koch, du sagen«, sagt Frau
Radke, sie ist der unumstößlichen Meinung, daß man mit Negern gebrochen Deutsch
sprechen muß.
    »Woas ham’s g’sagt?« Der
dunkelhäutige Mensch wirbelt seine Bürste durch die Luft und fängt sie
geschickt wieder auf. Er spricht bayrisch, weil sein Vater, ein Ami, in München
gedient hat. »Wenn’s a Reklamation ham, nacha müssen’s zum Oberzahlmeister.«
    »Nix Reklamation, Lob,
Komplimente, nix Böses«, sagte sie und radebrecht weiter.
    »Alsdann, gengans halt zum
Koch.« Er weist mit dem Daumen nach achtern und schaut ihr achselzuckend nach.
    Frau Radke geht nach achtern,
aber der Chefkoch ist nicht zu sprechen, und der 1. Koch brüllt ihr durch Lärm
und Dampf zu: »Kommen Sie morgen wieder.«
    Annegret will nicht morgen
wiederkommen. Das, was sie zu tun gedenkt, muß heute getan werden. Sie dringt
in die Pantry vor und hat dort ein längeres Gespräch mit einer ältlichen Diätschwester,
die erst mit dem Kopf schüttelt und dann eifrig mit dem Kopf nickt. Daß diesen
Gesinnungswandel ein 100-DM-Schein bewirkt hat, werden nur böswillige Menschen
behaupten...

Soll man
Schinkenstullen klauen?
Darf man
laut »Scheiße« sagen?
Muß man in
fremde Kabinen einbrechen?
     
     
     
    Der schneeweiße

Weitere Kostenlose Bücher