Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
Mabel.«
»Einmal?« Sie wischte den Rauch
mit einer verächtlichen Geste weg. »Es waren zwei. Und beide sind mir
weggestorben.«
Er konnte es sich gut
vorstellen, das Wegsterben an Mabel Ellingtons Seite. In ihren Blicken las er
den Satz: Mal sehen, ob du ein bißchen länger durchhältst, Junge.
»Du sprichst nicht gerade
viel«, sagte Mabel und begann, auf seinem Knie herumzuwippen. »Aber das macht
nichts. So habe ich sie gern. Stark und schweigsam. Dabei bist du eigentlich
gar nicht so stark, wie du immer tust, Phil.« Sie riß ihn plötzlich an sich und
preßte ihren Mund gegen seine Vorderzähne. »Bemuttern möchte ich dich, Sweety,
bemuttern nach allen Regeln der Kunst.«
»Ich habe schon eine Mutter«,
sagte er, als er wieder zu Atem gekommen war. Er zog sein Taschentuch aus der
Brusttasche und versuchte, sich den Lippenstift aus dem Gesicht zu wischen.
»Laß mich mal«, sagte sie und
nahm ihm das Taschentuch weg. »Siehst ja aus wie ein Clown.« Sie lachte und
wischte in seinem Gesicht herum.
Gibt’s dagegen denn gar nichts,
dachte er verzweifelt. Feuerwehr, Funkwagen, ein plötzliches Erdbeben oder so
etwas? Warum habe ich mir bloß am Anfang den Schneid abkaufen lassen?
Jedenfalls war es jetzt zu spät. Das Radio hämmerte einen Cha-Cha-Cha, und
Philipp fühlte sich wieder weggerissen. Sie hatte eine Art zu tanzen, daß es
ihm langsam warm wurde ums Herz. Nach dem letzten Takt standen sie direkt neben
der großen Couch. Sie zog ihn auf die schwellenden Polster und sagte: »Uff, ist
das stickig hier!« Sie streifte sich die Bluse über den Kopf. Ein paar knochige
Schultern erschienen, eingerahmt von violetten BH-Trägern. Philipp küßte sie
auf diese Schultern. In der Not fraß der Teufel Fliegen.
»Hei, boy«, flüsterte sie. Sie
stand abrupt auf und kramte in ihrer Handtasche herum. »Hier, nimm das.«
Er fühlte etwas kleines Rundes
in der Hand. Es war eine Tablette. »Ich habe keine Kopfschmerzen«, sagte er.
»Wer spricht von
Kopfschmerzen?« Sie näherte ihren Mund seinem rechten Ohr: »Ist doch die Pille,
du Baby.«
»Was für eine Pille?« Er sah
sie ohne jedes Verständnis an.
Sie wechselte zum linken Ohr
hinüber und hauchte: »Na, die Anti für Männer.«
Er sprang auf und ließ die
Tablette fallen wie eine glühende Kohle. Er war fassungslos. Es war ihm einfach
noch nicht passiert. Dabei glaubte er die Frauen zu kennen. In allen Ausgaben.
Niemand lernt anscheinend aus. Mabel hatte sich inzwischen durch eine
geschickte Drehung aus ihrem Rock geschält. Sie wollte ihren Striptease
fortsetzen, als Phil ihr in den Arm fiel.
»Das geht nicht«, sagte er und
kam sich selbst etwas albern vor, »wenn meine Mutter plötzlich ‘reinkommt
und...«
»Kriegst du dann Haue?« fragte
sie und rollte ihre Strümpfe ‘runter. »Nun zieh schon die weiße Fahne und komm
in die Heia, Philly.«
Und »Philly« beschloß
tatsächlich zu kapitulieren. Er war dem einfach nicht mehr länger gewachsen.
»Also schön«, hörte er sich sagen und begann mechanisch, seine Krawatte
abzulegen, »jeder Mensch ist schließlich nur ein Mensch.«
»Beeil dich! Schnurrekätzchen
wartet!« sagte sie.
»Dann warten Sie man, bis Sie schwarz
werden!« Das war nicht Philipp, der das gesagt hatte. Es war Florence. Sie
stieg aus dem Schrank und kam auf die beiden zu.
Mabel stieß einen Schrei aus,
für den Tarzan im Dschungel einen Preis gekriegt hätte. Sie raffte ihre Sachen
zusammen, riß die
Tür auf und stürzte auf den
Flur. Florence warf ihr die Schuhe hinterher. Sie schloß die Tür und sagte zu
Philipp: »Ich habe alles mit angehört.«
»So«, sagte er und holte tief
Luft. Und dann entluden sich seine Hilflosigkeit, seine Wut, sein Unvermögen,
die ganze angestaute Gefühlsskala in einem einzigen Ausbruch. Er nahm den drei
Pfund schweren Porzellanhirsch mit dem aufgemalten Heidelberger Schloß vom
Nachttisch und schmetterte ihn zu Boden. Der Hirsch zersprang in vierunddreißig
Teile. Er stieß mit dem Fuß gegen die Scherben und sagte: »Ich habe ihn nie
leiden können.« Er wandte sich an Florence. »Und nun zu Ihnen. Wie kommen Sie
in meinen Schrank?«
»Ich bin hineingestiegen.«
»Und haben dort auf die
Straßenbahn gewartet.«
»Ich bin hineingestiegen, weil
Sie kamen und dieses... dieses Schnurrekätzchen da.« Sie blitzte ihn wütend an.
Er freute sich, daß sie wütend
war. Er freute sich plötzlich überhaupt. »Na, auf jeden Fall sind Sie da,
Mademoiselle«, sagte er, »und nun brauchen
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