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Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld

Titel: Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Fischer-Fabian
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den Kopf: »Und Sie
sind also der verlorene Sohn aus Amerika?« Er wartete die Antwort nicht ab und
sagte: »Ich habe Ihren Vater gut gekannt; er war ein pflichtgetreuer Beamter,
Ihr Herr Vater.«
    Nur mein Vater war er nicht,
dachte Philipp und lauschte interessiert.
    »Ihre arme Mutter hat mir leid
getan damals. Daß sie so viel Kummer haben mußte mit ihrem einzigen Sohn.« Er
rieb sich raschelnd die Hände und hüstelte.
    Ein Gemütsathlet. Philipp fragte:
»Wenn ich jetzt einmal die Akten sehen dürfte, Herr Doktor.«
    »Was haben Sie denn drüben
getrieben bei den Amis?« Der Archivar sah ihn lauernd an.
    Ich hatte einen gutgehenden
Callring, hätte Philipp am liebsten geantwortet. Mit Rücksicht auf seine Mutter
tat er es nicht. Er sagte: »Dieses und jenes.«
    »Dieses und jenes«, der
Archivar kicherte in sich hinein, »vom Tellerwäscher zum Millionär, das ist
Ihnen wohl nicht passiert, he? Na, was nicht ist, kann noch werden.«— »Sie
sagen es.«
    Der Mann wechselte urplötzlich
das Thema: »Die Akten können Sie nur einsehen, wenn Sie eine Genehmigung Seiner
Magnifizenz des Herrn Rektors vorweisen können. Eine solche Genehmigung wird
Ihnen erteilt, wenn Sie ein berechtigtes Interesse nachweisen können. Können
Sie das?«
    »Der Herr Rektor ist auf
Dienstreise«, sagte Philipp. »Er kommt erst in acht Tagen zurück.«
    Ach!« Der Archivar hob die
Augenbrauen. Er schien befremdet, daß der Rektor sich bei ihm nicht abgemeldet
hatte. »Nun dann, in diesem Falle empfehle ich, nicht auf die Einsicht in die
Akten zu bestehen, sondern lediglich auf die Auskunft über die Akten. Die
bedarf keiner rektorialen Genehmigung.«
    Philipp schrieb auf einen
Zettel »Marcel Pierre de Grandlieu«. Er gab den Zettel dem Archivar und sagte:
»Ein Freund der Familie. Wir suchen seine Adresse.« Der Archivar zog einen
Schlüsselbund aus der Tasche und öffnete eine mit Stahlblech beschlagene Tür.
Regale wurden sichtbar. Sie reichten bis zur Decke und waren unendlich lang.
    Der Archivar kam zurück mit
einem grünlichen Aktendeckel. »Was wollen Sie also wissen?« Das Telefon
klingelte. Er ging an den Apparat und sprach mit jemand, den er mit »Herr
Inspektor« anredete. Er legte auf und sagte, er müsse auf einen Sprung hinüber zur
Universitätsbibliothek. Philipp solle solange warten.
    Als er den Raum verlassen
hatte, angelte sich Phil den Aktendeckel vom Schreibtisch. Er las: Grandlieu,
Marcel Pierre. Geschlecht: männlich. Ledig. Geburtsort: Fontainebleau,
Departement Seine-et-Marne. Geburtstag und Jahr: 27.3.1908.
Staatsangehörigkeit: französisch. Religion: kath. Studium in Heidelberg:
Germanistik, Kunstgeschichte, Philosophie.
    Philipp spürte, wie ihm die
Hände feucht wurden. Aus den trockenen Angaben des Immatrikulationsfragebogens
hob sich das Gesicht seines Vaters wie aus einem blinden Spiegel.
    Philipp fand einen
Studentenausweis. Er klappte ihn auf und erschrak. Von einem verblichenen
Lichtbild blickten ihn seine Augen an. Die Ähnlichkeit war verblüffend. Eine
Haarsträhne hing dem jungen Mann auf dem Foto in die Stirn. Die Nase endete in
dünnen feinen Flügeln. Der Mund schien kindlich und stand in einem Gegensatz zu
dem energischen Kinn.
    Ein Antrag auf Exmatrikulation
lag in den Akten, ein Erhebungsbogen für Studierende, ein Entlassungsschein der
Universitätsbibliothek. Und ein handgeschriebener Brief mit dem Briefkopf Alain
Comte de Grandlieu. Statt einer Adresse trug er ein Wappen mit den Lilien
der Bourbonen. In dem Brief wurde vertraulich angefragt, ob der Student der
Philosophischen Fakultät Marcel de Grandlieu seinem Studium ordnungsgemäß
nachgehe oder ob er ein sogenannter »Bummelstudent« sei. Philipp mußte lächeln.
Wer war Alain de Grandlieu? Der Vater? Ein Vormund? Oder der Onkel, der ihm
später das Vermögen vermachte?
    Philipp suchte in den Papieren
nach der Heidelberger Adresse Marcels. Auf der Rückseite des Erhebungsbogens
fand er die Rubrik: Semesteranschrift bei Familie. Das Kästchen dahinter
war nicht ausgefüllt worden. Philipp wollte den Bogen enttäuscht weglegen, als
ihm etwas auffiel: Das Papier an der Stelle des Kästchens war merkwürdig rauh.
Er hielt den Bogen gegen das Licht und stellte fest, daß hier jemand radiert
hatte. Mit einer Rasierklinge anscheinend.
    Er nahm den Studentenausweis
und löste vorsichtig das Paßbild heraus. Er ordnete die Papiere sorgfältig
wieder ein. Den Aktendeckel legte er auf den Schreibtisch. Es war kaum zu
befürchten, daß die

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