Das goldene Bett/Aphrodite ist an allem schuld
Sie mir bloß noch zu erzählen,
warum.« Er wies einladend mit der Hand auf den Sessel.
Florence setzte sich. Sie
runzelte die Stirn und griff mit der linken Hand in ihren Pferdeschwanz. Er
stellte fest, daß sie diesmal eine wildlederne Haarschleife trug. Dazu einen
Freizeitdreß in Pepita. Appetitlich, dachte er, einfach lecker. »Ich warte«,
sagte er und zündete sich umständlich eine Zigarette an.
»Phil...«
»So nennen mich meine Freunde.«
»Phil, ich bin nicht nur Ihr
Freund. Ich bin...«
»Was sind Sie?«
Sie verbarg ihr Gesicht in den
Händen und versuchte zu schluchzen. Es gelang ihr. Sie dachte an das
Lederkästchen, das sie vorhin in der Hand gehabt hatte, und ob der
Tresorschlüssel wohl darin gewesen sei? Oder der Tresorschein? Aber das war
doch ausgemachter Blödsinn. Hatte er Schlüssel und Schein, dann hatte er auch
Geld. Brauchte nicht den Reiseleiter zu spielen und hätte vorhin diesem Amigirl
nicht geantwortet: »Millionär bin ich nicht. Aber vielleicht werde ich bald
einer.«
»Nun hören Sie schon auf zu
flennen«, sagte Philipp.
»Aber ich liebe Sie doch, Sie
Idiot!« sagte Florence, und diesmal war ihr Schluchzen echt. Sie hatte einfach
nicht mehr die Kraft, diese blödsinnige Rolle weiterzuspielen. Sollte Vater
sich einen Detektiv engagieren. Und wenn er hundertmal blank war.
»So nett hat mir das noch keine
gesagt«, meinte Philipp und reichte ihr sein Taschentuch. Er strich ihr über
das Haar und küßte sie behutsam. »Wie war’s denn so im Schrank?«
»Heiß und finster. Außerdem
tickt’s.« Sie schneuzte sich ausführlich. »Der gemeine Holzwurm aus der Familie
der Bohrkäfer, nehme ich an.«
»Ich hielt’s eher für einen
Wecker.«
»Also dann eben eine
Höllenmaschine«, sagte er im Ton eines Irrenarztes, der eine Patientin
beruhigen will, und griff nach einer Zigarette.
»Philipp!!!« Sie schrie so
grell auf, daß ihm das Feuerzeug aus der Hand fiel. Sie stürzte auf den Schrank
zu, schleuderte die Anzüge heraus, griff nach einem mit Bindfaden verschnürten
Päckchen. Sie stand zitternd in der Mitte des Raumes. »Der Regenmantel«,
wimmerte sie, »der Regenmantel.«
Philipp schaute sie mitleidig
an. Nun ist sie endgültig verrückt geworden, dachte er traurig. Er sah, wie sie
plötzlich losrannte, und er rannte ihr nach. Sie war unglaublich schnell, jagte
die Treppe hinunter auf die Straße, den Staden entlang zur Alten Brücke. Er
sah, wie sie das Paket in den Neckar warf. Er kam keuchend bei ihr an, stützte
sich auf die Brückenmauer und fluchte: »Sie haben wohl einen Knall, einen
ungeheuren Knall?«
Den gab es dann auch. Er kam
aus der Tiefe des Neckars und war dumpf und dröhnend. Das Geräusch erinnerte
ihn an eine Art Wasserbombe. Er starrte hinunter auf das Wasser. Eine gewaltige
Blase stieg auf, teilte sich. Es wallte und siedete wie in einem Kochtopf. An der
Oberfläche trieben Fetzen braunen Packpapiers.
»So, genauso würden Sie jetzt
auch aussehen«, sagte Florence. Und dann erzählte sie ihm alles.
»Himmel, dann haben Sie mir ja
das Leben gerettet, Florence.« Er küßte ihr die Hand, sagte »danke!« und war sich
darüber klar, daß diese Geste der Situation unangemessen war.
»Gern geschehen«, sagte sie
schlicht, »meins war ja auch dabei. Darf ich mir jetzt etwas wünschen,
Philipp?«
»Alles!« Er hob die Hand zum
Schwur und zeigte auf den sandsteinernen Nepomuk, der hier den Fluß bewachte.
»Oder sagen wir: fast alles. Bei Spioninnen Ihres Schlages muß man vorsichtig
sein.«— »Ich möchte bei Ihnen bleiben.«
»Das rechnet leider unter
›fast‹.« Als er sah, wie sich ihre Augen sofort mit Tränen füllten, legte er
den Arm um ihre Schultern. »Hören Sie zu, Florence«, sagte er mit allem Ernst,
der ihm zur Verfügung stand, »hier wird nicht mehr Räuber und Gendarm gespielt,
hier wird jetzt scharf geschossen. Und zwar auf mich. Wem meine Nase nicht
gefällt, weiß ich nicht. Noch nicht. Ich weiß nur, daß Ihre...«— er gab ihr
einen Kuß auf die leicht sommersprossige Nase— »...daß Ihre dabei Schaden
nehmen könnte. Und das würde nicht nur ich bedauern, sondern auch Monsieur
Grandlieu.«
Florence protestierte. Sie
schimpfte. Sie strampelte mit den Beinen. Vergeblich. Mit sanfter Gewalt hatte
Philipp das Mädchen innerhalb einer knappen Stunde am Heidelberger
Hauptbahnhof. Er kaufte ihr eine Schlafwagenkarte für den Expreß nach Paris.
Erster, versteht sich. Ein Teil der Fremdenführergage war damit bereits
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